"Ob aber ein seriöser israelischer Historiker überhaupt bereit sein wird, mit einer von der FPÖ eingesetzten Kommission zu arbeiten? Eher unwahrscheinlich", sagt der israelische Historiker Moshe Zimmermann.

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Rund 1100 Seiten soll der Rohbericht der FPÖ über die eigene Parteigeschichte haben.

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Zu sehen gab es bisher nur eine kurze Zusammenfassung des blauen Historikerberichts.

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Nach langer Geheimniskrämerei hat die FPÖ kürzlich eine erste Version ihres Historikerberichtes vorgelegt, der die Geschichte und "braune Flecken" der Partei beleuchten soll. Das erste – nur 32 Seiten schlanke – Papier wurde umgehend von renommierten Wissenschaftern zerpflückt. Auch dass sich die FPÖ ihre Arbeit in Israel absegnen lassen will, sorgte hierzulande für heftige Kritik. Und in Israel? Der Historiker Moshe Zimmermann hält dies für eine Alibi-Aktion.

STANDARD: Sie haben 2010 an der Studie "Das Amt und die Vergangenheit" über die braune Geschichte des Auswärtigen Amts in Deutschland mitgewirkt. Worauf kommt es bei solchen Studien an?

Zimmermann: Wenn eine solche Kommission effizient sein will, müssen Historiker darin vertreten sein, die sich mit der NS-Geschichte und der Nachkriegszeit befassen. Es muss eine internationale Kommission sein. Es darf nicht nur eine österreichische und schon gar nicht eine parteiinterne Nabelschau betrieben werden, und es muss vor allem eine kleine Kommission sein. Wenn zu viel Leute dabei sind, wird die Arbeit ineffektiv. Zu viele Köche verderben den Brei.

STANDARD: Die Liste der Autoren des FPÖ-Berichts ist ziemlich lang.

Zimmermann: Und ich wundere mich darüber, dass ich dort keine renommierten Historiker aus Deutschland finde, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus befassen. Auch die Namen aus Österreich, die erwähnt wurden, sind nicht die Leuchttürme der österreichischen Historikerzunft. Wenn man es ernst meint, muss man gute Leute holen, denen man hinterher nicht vorwerfen kann, dass sie nicht professionell genug gearbeitet haben.

STANDARD: Die FPÖ plant, diesen Bericht von einem israelischen Wissenschafter absegnen zu lassen. Eine gute Idee?

Zimmermann: Das klingt nach einer Alibi-Idee: "Nachdem wir die Arbeit geleistet haben, holen wir noch die Unterstützung oder eine Art von Rückendeckung vonseiten eines Israelis." Ich müsste erfahren, wer der israelische Kollege ist, der bereit ist, überhaupt an einer solchen Arbeit teilzunehmen, und der dafür professionell genug wäre.

STANDARD: Wer wäre denn geeignet?

Zimmermann: In Israel gibt es genügend Leute, die entweder in Yad Vashem arbeiten oder in den Instituten für Zeitgeschichte an den Universitäten, die zur Geschichte nach 1945 forschen. Frau Dina Porath von der Universität Tel Aviv, die bereits emeritiert ist, die auch in Yad Vashem arbeitet, wäre da geeignet, auch Professor Daniel Blatman von der Universität Jerusalem, Professor Arieh Kochavi von der Universität Haifa. Solange solche Namen nicht fallen, ist jede Art von Kooperation mit israelischen Experten eine Alibi-Aktion. Ob aber ein seriöser israelischer Historiker überhaupt bereit sein wird, mit einer von der FPÖ eingesetzten Kommission zu arbeiten? Eher unwahrscheinlich.

STANDARD: Im Zuge der Recherche tauchte der Name des israelischen Wissenschafters Mordechai "Motti" Kedar auf.

Zimmermann: Kedar wäre ein gutes Beispiel für jemanden, der kein Experte ist, was die Geschichte des Dritten Reiches und die mitteleuropäische Geschichte vor und nach 1945 angeht. Man braucht keinen objektiven, aber einen neutralen Experten, der sich auskennt. Jemand, der Experte für den Islam im Nahen Osten ist wie Motti Kedar, ist auf jeden Fall nicht der Richtige, um sich mit der braunen Vergangenheit der FPÖ zu befassen.

STANDARD: Wie können Sie sich erklären, dass dann der Name Motti Kedar auftaucht?

Zimmermann: Motti Kedar ist kein unbeschriebenes Blatt in Israel, er ist sehr stark rechts orientiert, und als Islam-Experte ist er jemand, der alles, was mit dem Islam zu tun hat, nur negativ betrachtet. Er ist so weit rechts, das er meines Erachtens in der Lage wäre, mit der FPÖ gemeinsame Sache zu machen. Das ist ja eine Tendenz in Israel, mit den Rechtspopulisten in Europa zusammenzuarbeiten, weil diese die israelische Regierung unterstützen. Und das hat auch eine Alibi-Funktion. Rassisten und Antisemiten unterstützen Israel und erhalten so einen Persilschein von Israel. Aber im aktuellen Fall der Historikerkommission sind das alles bislang Spekulationen, solange ich nicht ein Schreiben zu lesen bekommen habe, wo drinsteht, dass Kedar oder ein anderer als Experte nominiert wurde.

STANDARD: Von der israelischen Regierung wird die FPÖ jedenfalls boykottiert.

Zimmermann: Es gibt noch immer eine klare Linie im israelischen Außenministerium. Dort achtet man darauf, keine offiziellen Kontakte zur FPÖ aufzunehmen. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch einzelne Politiker Leute von der FPÖ einladen können. Es gibt Politiker in Israel, die dazu bereit sind, auch dazu, die FPÖ rückwirkend weißzuwaschen.

STANDARD: Wie kommt es eigentlich, dass Sie als Experte erst jetzt von der Arbeit der Historikerkommission erfahren?

Zimmermann: Wenn diese Kommission ihre Sache ernst genommen hätte, hätte sie rechtzeitig mit Experten Kontakt aufgenommen, sowohl in Deutschland als auch in Israel. Dann hätten Leute wie ich auch davon erfahren, von den Kollegen. Das ist eine klare Sache: Man hat sich nicht darum bemüht, aus gutem Grund. (Lissy Kaufmann, 12.8.2019)