Das Teilen von Autos hat bisher nicht den erwünschten Erfolg gebracht. In nur wenigen Städten lohnt sich das Modell.

Foto: APA/dpa/Rolf Vennenbernd

Was Carsharing-Anbietern in deutschen Städten Probleme macht, gilt für Österreichs Ballungsräume erst recht: Nur wenige Städte sind dicht genug bevölkert, um Carsharing dort profitabel betreiben zu können. "Profitables Carsharing erfordert gewisse Mindestnutzerzahlen kombiniert mit einer hohen Nutzerdichte, die bereits in vielen Randgebieten deutscher Großstädte nicht mehr gegeben ist", sagte Wulf Stolle von A.T. Kearney.

Lediglich elf deutsche Städte hätten mit Größe und Bevölkerungsdichte aktuell überhaupt die Voraussetzungen, dass Carsharing-Dienste wirtschaftlich erfolgreich angeboten werden können. Lukrative Margen sehen die Berater derzeit nur in Berlin, Hamburg und München.

Die im Frühjahr in die Wege geleitete Zusammenlegung der Carsharing-Dienste von Daimler und BMW, von Car2go und Drive Now zu Share Now, ist Indiz dafür, dass die Margen niedrig sind. "Rasierklingendünn" seien die Margen, zitiert die Süddeutsche Zeitung A.T.-Kearney-Mann Stolle. An die kritische Bevölkerungsdichte von 3000 Personen pro Quadratkilometer kämen nur die wenigsten Städte heran. Wohl auch deshalb versucht man, die Auslastung der bereitgestellten Fahrzeuge gemeinsam zu erhöhen – auch im Lichte des neuen Anbieters We Share, der von Volkswagen getragen seit Juni mit E-Golf, E-Up! und ID.3 Berlin erobern will.

Kein Verzicht aufs eigene Auto

Weltweit stieg die Zahl der Carsharing-Mitglieder von 2015 bis 2018 von sieben auf 27 Millionen, und die vor bald zehn Jahren prognostizierte Zahl von 32 Millionen Nutzern scheint erreichbar. Dennoch fuhr die schöne neue Welt der Spontanmieter pfeilgerade an einem wesentlichen Ziel vorbei: dass die Stadtbewohner auf die Anschaffung eigener Autos verzichten und ganz auf Auto-Teilen umsteigen. Die per Mobiltelefon buchbaren Mietwagen könnten höchstens zwei Millionen private Pkws ersetzen, haben die A.T.-Kearney-Fachleute errechnet – und das auch nur, wenn alle potenziellen Kunden von ihren eigenen Autos auf Sharing-Dienste umsteigen würden.

Dass das eigene Auto im Straßenverkehr langfristig durch Sharing-Angebote ersetzt würde, lässt sich aus der Studie nicht herauslesen. Lediglich ein Prozent der Kunden in Deutschland nutze Carsharing täglich. In Großbritannien sind es zehn, in den USA vier.

Allzu verlässlich scheint die Kundschaft in diesem Metier auch nicht zu sein: Fast ein Drittel der eingetragenen Carsharing-Mitglieder in Großbritannien benützt den Dienst nie, in den USA sind es 16 Prozent, in Deutschland nur sechs. Rund ein Viertel der deutschen Carsharer fährt nur einmal im Monat, in Großbritannien ist es ein Fünftel, in den USA hingegen fast die Hälfte; mehrmals pro Woche nutzt den Dienst etwas mehr als jeder zehnte Abonnent.

Die deutschen Autofahrer – auch solche, die Carsharing-Dienste nutzen – schätzten das eigene Auto aber nach wie vor, besonders wegen der ständigen Verfügbarkeit. Das dürfte auch daran liegen, dass Ausflüge und Überlandfahrten mit Carsharing-Fahrzeugen rasch ins Geld gehen. Kunden und Nichtkunden unter 30 Jahre sind übrigens aufgeschlossener für Sharing-Angebote als ältere Menschen.

Marktbereinigung im Gang

Österreich wurde in der Studie nicht extra beleuchtet. Aber die Realität in der Bundeshauptstadt spricht eine klare Sprache: In Außenbezirken wie Liesing (23. Bezirk) oder Donaustadt (22. Bezirk) sind die via Mobiltelefon buchbaren Leihwagen kaum oder gar nicht verfügbar. Die Marktbereinigung ist im Gang, in Wien fahren mit dem fusionierten Großbetreiber Share Now nur mehr wenige Anbieter um die Wette.

Share Now sieht sich durch die Studie bestätigt. "Die Studie von A.T. Kearney unterstützt unsere Ansicht, dass das private Fahrzeug in Deutschland nach wie vor eine viel zu große Rolle spielt, um die Mobilitätswende zu schaffen", sagte Share-Now-Chef Oliver Reppert der dpa. Es sei Aufgabe der Politik, das zu ändern. Das Potenzial von Carsharing sieht Reppert anders, er kommt laut dpa auf höhere Zahlen als A.T. Kearney: Würde es gelingen, fünf Prozent der privaten Fahrzeuge von den Straßen zu holen, wären dies allein in den großen Städten Deutschlands 2,5 Millionen Autos weniger.

Die Autoren der Studie empfehlen, Sharing-Dienste besser in den öffentlichen Nahverkehr zu integrieren. In Wien beispielsweise muss für Carsharing-Fahrzeuge keine Parkgebühr entrichtet werden. Derzeit sei Carsharing in Deutschland aber eher Konkurrenz als Ergänzung zu Bus und Bahn. Auch das ist ein bemerkenswertes Ergebnis der A.T.-Kearney-Erhebung: Je öfter jemand ein Mietauto nimmt, desto weniger fährt er mit U-Bahn, Bus oder Straßenbahn. Bis zu einem gewissen Grad sind die beiden Verkehrsmittel also kommunizierende Gefäße, was auch durch die Zulassungszahlen belegt ist: Der Autobesitz in größeren Städten stagniert tendenziell.

Befragt wurden für die Studie mehr als 1000 Menschen in Deutschland, Großbritannien und den USA – die Hälfte davon waren Kunden eines Carsharing-Anbieters. (Luise Ungerboeck, 12.8.2019)