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Der angeschlagene Münchner Konzern steht zum Verkauf. Mit einem überraschenden Angebot brachte sich der heimische Chiphersteller AMS wieder ins Spiel.

Foto: Michaela Rehle / AP

Der Münchner Lichttechnikkonzern Osram hat den Appetit des steirischen Halbleiterherstellers AMS geweckt. 4,2 Milliarden Euro und damit zehn Prozent mehr als die beiden Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle will das in Premstätten bei Graz beheimatete Unternehmen für die frühere Siemens-Lichtsparte auf den Tisch legen.

Was die größte Übernahme eines heimischen Unternehmens werden könnte, jedenfalls die größte in der Geschichte der AMS AG (früher austria-microsystems, noch früher Austria Micro Systeme), kommt bei den Aktionären nicht gut an. Die Aktie des an der Börse in Zürich notierten Halbleiterherstellers verlor nach Bekanntwerden der Pläne Montagfrüh zeitweise zehn Prozent.

AMS ist eigenen Angaben zufolge hauptsächlich an dem Autozuliefer- und Photonik-Geschäft von Osram interessiert. CEO Alexander Everke hofft auf Zustimmung von Osram: "Gemeinsam können wir uns mit unseren Mitarbeitern, Produkten und Technologien als ein weltweit führender Anbieter von Sensorlösungen und Photonik etablieren und unseren Kunden erhebliche Vorteile bieten."

Analysten hingegen sehen die großen Synergieeffekte nicht und sorgen sich wegen der Verschuldung, die deutlich steigen würde.

Stillhalteabkommen aufheben

Ob AMS ihr Vorhaben umsetzen kann, ist noch nicht fix. Dazu müsste der Osram-Vorstand um Olaf Berlien ein Stillhalteabkommen aufheben, das die Steirer für einen Blick in die Bücher des Lichtkonzerns vereinbart hatten und das ihnen eigentlich für zwölf Monate ein Angebot verbietet. Montagabend teilte der deutsche Konzern mit, über das Angebot verhandeln zu wollen.

Wer ist nun diese AMS? Nicht das Arbeitsmarktservice, mit dem die Chipfirma nur die Anfangsbuchstaben gemeinsam hat. AMS gehört zu den sogenannten Hidden Champions, die es ohne viel Aufsehen geschafft haben, in einer Nische eine führende Stellung auf dem Weltmarkt zu erlangen. Bei AMS sind es spezielle Sensoren, die in Smartphones oder TV-Geräten, Autos (Beispiel autonomes Fahren), in der Industrie (Industrie 4.0) oder in der Medizintechnik zum Einsatz kommen.

Begonnen hat alles vor mittlerweile fast 40 Jahren. Ende der 1970er-Jahre suchte die damalige Vöest-Alpine nach geeigneten Branchen, um die eigene Produkt- und Dienstleistungspalette zu erweitern. Man entschied sich letztlich für die Halbleiterindustrie. Bei der Suche nach einem geeigneten Partner stieß man auf die American Micro Systems (AMI), die beim Start des Joint Ventures American Micro Systems Incorporated-Austria GmbH 1981 mit 51 Prozent die Mehrheit hielt.

"Dieses Schloss will ich"

Bei der Wahl des Firmensitzes war ein Hubschrauber beteiligt: Als der damalige Vöest-Chef Heribert Apfalter mit seinem Pendant von AMI vom Flughafen Graz zu einem Rundflug abhob, tauchte kurz darauf das halbverfallene Schloss Premstätten auf, das dem Land Steiermark gehörte. Der AMI-Chef soll gerufen haben: "I want to have that castle." So kam es auch, das Schloss ist noch immer Unternehmenssitz.

Anfang der 1990er-Jahre liefen die Geschäfte blendend, mit Nokia als Kunden wuchs das Unternehmen schnell. Bis es zum folgenschweren Bruch mit Nokia kam. Die Krise in der Halbleiterindustrie um die Jahrtausendwende verstärkte den Abwärtstrend, AMS, an der die Verstaatlichte inzwischen alle Anteile hielt, musste sich neu erfinden.

Man setzte auf Eigenentwicklungen im Halbleiterbereich, 2004 kam es zum Börsengang in der Schweiz. Als genialer Schachzug sollte sich 2011 der Kauf der texanischen Firma Taos erweisen. Damit stand AMS die Tür zu Apple sperrangelweit offen. Der iPhone-Hersteller wurde zum wichtigsten Einzelkunden der Steirer, die mit weltweit gut 10.000 Mitarbeitern zuletzt auf knapp 1,5 Milliarden Euro Umsatz kamen. (Günther Strobl, 12.8.2019)