Patienten müssen bei einer Herzklappen-OP an die Herz-Lungen-Maschine, der Brustkorb muss jedoch nicht mehr geöffnet werden. Die Herzklappe wird über die Leistenarterie eingeführt.

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Über 90 Prozent der Herzklappenoperationen werden mittlerweile schon minimalinvasiv – das heißt ohne eine notwendige vollständige Öffnung des Brustkorbes – durchgeführt. Dies erklärte der stv. Direktor der Innsbrucker Herzchirurgie, Ludwig Müller. Die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) werde indes bereits nach Möglichkeit bei fast allen über 80-Jährigen angewandt.

"Wir streben mittlerweile immer einen minimalinvasiven Eingriff an", ergänzt Nikolaos Bonaros, leitender Oberarzt an der Herzchirurgie. Die Vorteile eines minimalinvasiven Eingriffes, der sowohl bei Aorten- als auch bei Mitralklappen zum Einsatz komme und oft nur einen kleinen Schnitt bedeutet, seien in den meisten Fällen unter anderem eine kürzere Aufenthaltszeit auf der Intensivstation, ein geringerer Blutverlust sowie eine stärkere und schnellere Mobilisierung des Patienten.

Kleiner Schnitt, große OP

"Aber trotz Minimalinvasion handelt es sich um keinen minimalen Eingriff. Es ist trotzdem eine normale Herzklappenoperation", stellte Müller klar und verwies überdies darauf, dass auch bei einem solchen Eingriff eine Herz-Lungen-Maschine verwendet werden müsse bzw. das Herz stillgelegt werde.

Beachtlich ist zudem, dass es in den allermeisten Fällen bei einem minimalinvasiven Eingriff bleibt: "Nur bei unter zwei Prozent gibt es Komplikationen und muss zu einer herkömmlichen, chirurgischen Herzklappenoperation gewechselt werden", so Müller. Zu Anfangszeiten der minimalinvasiven Methode sei die "Konversionsrate" noch höher gewesen, da man aufgrund mangelnder Erfahrung und noch nicht so ausgereifter Diagnostik aus Sorge um den Patienten schneller konvertiert habe.

Bis Ende der 1990er-Jahre sei die vollständige Brustkorböffnung noch der Standardzugang in der Herzchirurgie gewesen. Im Jahr 2018 wurden in Innsbruck hingegen bereits 110 Mitralklappen und 120 Aortenklappen minimalinvasiv ersetzt.

Künstliche Klappe

TAVI-Klappen wurden 2018 insgesamt 95 implantiert. Im Jahr 2017 war an der Innsbrucker Klinik bei etwa einem Drittel der rund 300 Herzklappen-Patienten auf diese seit 2008 angewandte Methode zurückgegriffen worden. Unter TAVI versteht man die Implantation einer künstlichen Aortenklappe über einen durch die Leistenarterie ins Herz eingeführten Katheter. Im Vergleich zur offenen Chirurgie ist ein solcher Eingriff für die Patienten – unter anderem aufgrund der Nicht-Notwendigkeit einer Stilllegung des Herzens – wesentlich weniger belastend, sie sind schneller mobiler, die Mortalität ist geringer. "Wichtig ist zu betonen, dass es sich bei TAVI nicht um einen minimalinvasiven Eingriff handelt. Man spricht hingegen von einer Intervention", erklärte der Herzchirurgie-Spezialist.

Zur Anwendung komme TAVI nach wie vor vor allem bei Patienten im fortgeschrittenen Alter – ab dem 80. Lebensjahr. Und dabei insbesondere bei solchen mit einem höheren Operationsrisiko. Neue Forschungsergebnisse würden aber auch zeigen, dass die Methode auch für Patienten mit einem niedrigen oder mittleren Risiko geeignet ist. "TAVI ist der Chirurgie ebenbürtig und kann ihr im Kurzzeitverlauf sogar überlegen sein", meinte Müller. Dann, wenn "die Luft dünner wird", nämlich im höheren Alter, sei es eine ideale Methode zur Lebensverlängerung. Und noch dazu auch ziemlich risikoarm: Denn laut Bonaros, in Innsbruck für das TAVI-Programm verantwortlich, muss in nur 0,5 bis 1 Prozent der Fälle während des Eingriffs aufgrund von Komplikationen auf die herkömmliche Operationsmethode gewechselt werden.

Alt und jung

Der Trend in Sachen TAVI gehe zudem dorthin, dass die Methode auch bei "jüngeren Patienten", also bei solchen zwischen 75 und 80 Jahren, angewandt wird. Bis zum 70. Lebensjahr sollte die Intervention aber "vernünftigerweise" nicht gewählt werden, betonte Mülller – und das 60. Lebensjahr sei bei TAVI sowie das "absolute Limit nach unten".

Zudem sei auch bei dieser Methode nicht "alles Gold was glänzt". "Patienten mit TAVI-Klappe haben häufiger Herzrhythmusstörungen und benötigen drei bis viermal so häufig einen Schrittmacher", schränkte der Herzchirurg ein.

Generell seien die erzielten Fortschritte in der Herzchirurgie immens, die Entwicklung teilweise atemberaubend, so Müller. Vor einem Vierteljahrhundert habe man beispielsweise noch über 80-Jährigen vor einer Herzklappenoperation überwiegend abgeraten. Mittlerweile sei ein solcher Eingriff selbst bei 85-Jährigen "normal". Selbst über 90-Jährige würden, wenn auch sehr selten, operiert. "Das Schöne an den Herzklappenoperationen ist, dass man den Patienten die Todesursache wegnimmt. Das ist fantastisch", brachte es der Experte auf den Punkt. (APA, 12.8.2019)