Viele Tiere verdanken ihm ihre Orientierung, wir alle den Schutz vor tödlicher Strahlung aus dem All: Das Erdmagnetfeld ist ein wichtiger Faktor für das Überleben auf der Erde. Aus Sicht eines Menschen erscheint das Magnetfeld unseres Planeten zwar recht stabil, aus erdgeschichtlicher Perspektive ist es aber starken Fluktuationen unterworfen. Die magnetischen Pole wandern, das Magnetfeld wird instabil, bricht zusammen, und irgendwann kommt es zur Polumkehr.

Das Erdmagnetfeld wird hauptsächlich von Strömen flüssigen Eisens im Erdkern verursacht. Über lange Zeiträume kommt es dabei zu Veränderungen.
Illustration: ESA/AOES Medialab

Über lange Zeitspannen betrachtet, handelt es sich bei anhaltenden Polsprüngen um kein seltenes Phänomen, im Durchschnitt kehrt sich das Erdmagnetfeld alle 250.000 Jahre um. Zuletzt ist das vor rund 780.000 Jahren passiert, wie Wissenschafter in Magmagesteinen nachweisen können. Diese sogenannte Brunhes-Matuyama-Umkehr markiert die Grenze zwischen dem Altpleistozän und dem Mittelpleistozän. Wie schnell die damalige Umpolung vonstatten ging, ist aber höchst umstritten.

Aktuelle Veränderungen

So fanden Forscher in Sedimenten Hinweise darauf, dass die Magnetfeld-Fluktuationen im Vorfeld der Brunhes-Matuyama-Umkehr mehrere tausend Jahre andauerten. Der Polsprung selbst hat sich aber unterschiedlichen Ergebnissen zufolge innerhalb weniger Jahrhunderte oder sogar binnen eines Menschenlebens abgespielt. Angesichts aktuell beobachtbarer Entwicklungen ist das durchaus relevant: Das Erdmagnetfeld wird seit geraumer Zeit um etwa fünf Prozent pro Jahrhundert schwächer. In den letzten Jahren hat sich auch der arktische Magnetpol deutlich verschoben, manche Wissenschafter spekulieren, dass ein neuer Polsprung bevorstehen könnte.

Forscher um Brad Singer von der University of Wisconsin-Madison geben nun teilweise Entwarnung: Wie die Wissenschafter kürzlich im Fachblatt "Science Advances" berichteten, dürfte das Brunhes-Matuyama-Ereignis weitaus länger gedauert haben als weithin angenommen: insgesamt an die 22.000 Jahre. Die vorangegangene Instabilität des Erdmagnetfelds dauerte demnach rund 18.000 Jahre, aber auch die eigentliche Polumkehr mit 4.000 Jahren deutlich länger als zuvor vermutet, so die Wissenschafter.

Der unsichtbare Schutz vor kosmischer Strahlung reicht über die Erdatmosphäre hinaus: Auch die Raumfahrer auf der ISS werden noch abgeschirmt, freilich schwächer als wir hier unten.
Illustration: NASA Goddard Space Flight Centre

Umfangreiche Analyse

Für ihre Studie sammelten Singer und Kollegen Sedimentproben von Lavaströmen aus Chile, Tahiti, Hawaii und den Kanarischen Inseln. Im nächsten Schritt bestimmten sie mithilfe neuester Methoden die Magnetisierung und das Alter der Proben und ergänzten die Ergebnisse mit Daten aus antarktischen Eisbohrkernen. "Lavaströme sind ideale Archive für das Magnetfeld", sagt Singer. "Sie enthalten viele eisenhaltige Mineralien, und wenn diese abkühlen, bleibt ihre Feldrichtung konserviert."

Das Resultat spricht dafür, dass es vor dem eigentlichen Polsprung schon zwei kurzfristige Umkehrungen gab, die jedoch nicht von langer Dauer waren. Nach etwa 18.000 Jahren der Instabilität setzte dann der bis heute anhaltende Polsprung ein, bis sich das Erdmagnetfeld nach etwa 4.000 chaotischen Jahren wieder stabilisierte. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein schwächelndes Magnetfeld durchaus der Vorbote einer Umpolung sein kann, aber das muss nicht bedeuten, dass so ein Ereignis heute unmittelbar bevorsteht", schreiben die Forscher.

Während einer Umpolung dürfte sich durch Anomalien und Schwächen des Magnetfelds der Schutz vor kosmischer Strahlung vorübergehend deutlich verringern, zudem könnte es zu massiven Ausfällen bei der Satellitenkommunikation und im Funkverkehr sowie zu Problemen bei Stromverteilungsnetzen kommen. Wie sich der Prozess einer Polumkehr auf die zahlreichen Tiere auswirken würde, die sich am Erdmagnetfeld orientieren, ist unklar. Es sei jedenfalls anzunehmen, dass die Menschheit mehrere Generationen lang Zeit haben werde, sich auf den nächsten Polsprung vorzubereiten, so Singer. (dare, 12.8.2019)