Wie man als Nachtklubsängerin zur Landpomeranze reift: In Bad Ischl bedenkt man vergessene Operettenwerke mit einem Augenzwinkern.

Foto: www.fotohofer.at

Thomas Enzinger ist ein Schelm. Der geschäftsführende Intendant lässt beim Lehár Festival in diesem Sommer 19 Mal Benatzky spielen (Im weißen Rößl), zwölf Mal Offenbach (Pariser Leben) und verschämte zwei Mal Lehár (Clo-Clo) – und Letzteres nur halbszenisch. Das hat natürlich Gründe: 2020 steht der 150. Geburtstag des Namensgebers des Festivals und Ehrenbürgers von Bad Ischl an. Und da muss natürlich gelehárt werden, was das Zeug hält: Neben zahl reichen Aufführungen der im Ort komponierten Csárdásfürstin kommt auch ein Werk (von Jenny E. Gregor) zur Uraufführung, das sich mit dem Leben des Operettenkomponisten beschäftigt.

Und die Rarität Clo-Clo, 1924 im Wiener Bürgertheater uraufgeführt, machte auch richtig Gusto auf mehr Léhar im nächsten Bad Ischler Operettensommer. Zum einen ist das Libretto von Béla Jenbach ungemein witzig und für eine Operette recht ungewöhnlich, da es auf einem Theaterschwank basiert. Darin belacht das Publikum die charmante Nachtklubsängerin Clo-Clo, die durch einen Irrtum von Melousine, der hantigen Ehefrau ihres Galans Cornichon, als Stieftochter in die Familie aufgenommen und von Paris in die Provinz verfrachtet wird.

Raffiniert instrumentiert, groß besetzt

Zum anderen sind die beschwingten Melodien und Rhythmen von Lehár superdelikat und raffiniert instrumentiert – sogar Giacomo Puccini soll darob ins Schwärmen gekommen sein. Gut, dass man das Franz-Lehár-Orchester für diese Gelegenheit auf 50 Musiker aufgestockt hat. Marius Burkert lässt die Melodien aufblühen und baut immer wieder feinfühlig Ritardandi ein; nicht nur bei der Ouvertüre hätte man sich aber gewünscht, dass vonseiten des Dirigenten Impulse kommen, die zu mehr Straffheit und Gegensätzlichkeit führen.

Aber die Vitalität, sie findet ohnedies hauptsächlich auf einem schmalen Streifen vor dem Orchester statt. Auf ihm hat Markus Kupferblum mit begrenzten Mitteln ein quirlig-grelles, komikpralles Treiben inszeniert, das das Publikum im Kongress- und Theaterhaus am vergangenen Wochenende zu hellem Lachen anstachelte. Hauptverantwortliche für das viele Zwerchfelltraining ist Susanna Hirschler, als Melousine eine Heroine der Komik: Man denke an Renée Taylor als "Nanny" Fines Mutter Sylvia. Gerd Vogel erinnert als ihr Mann Cornichon an eine Mischung aus Christoph Maria Herbst und Louis de Funès: ein Vollprofi. Macht auch fast nichts, dass Vogel gern etwas überkraftvoll singt und Hirschler etwas altmütterlich.

Charmant, diese tölpelhafte Note

Frech, frisch und munter wie ein Quell der guten Laune wirbelt Sieglinde Feldhofer als Clo-Clo Mustache herum, da sitzt jeder Ton und jedes kokette Lächeln. Daniel Jenz gibt als Maxime de la Vallé einen idealen Verehrer ab; Ricardo Frenzel Baudisch bringt als Klavierlehrer Chablis eine charmant tölpelhafte Note ins Spiel. Letzteres treibt Matthias Störmer als Petipouf mit Totaleinsatz in extremis: Dagegen ist Jerry Lewis eine Schlaftablette. Der Chor gibt in Sachen mimischer Lebendigkeit ebenfalls alles, und Frank Voß parliert zwischen den Gesangsnummern mit Eleganz. Mehr Lehár dann wie gesagt in einem Jahr. (Stefan Ender, 12.8.2019)