Beine zusammen – und trotzdem schwimmen. Irgendwie, aber doch bitte schön. So geht Mermaiding.
Foto: APA/Uli Deck

Eigentlich ist man recht empfindlich, wenn Frauen und Mädchen sich im Freibad mit zu viel Stoff zeigen. Die paar wenigen Burkini-Trägerinnen, die man in einer Sommersaison zu Gesicht bekommt, ernten im besten Falle "nur" Blicke – im schlimmsten Fall rassistische Pöbeleien oder Badeverbote.

Von der Kritik völlig unbeachtet bleibt indessen ein seltsamer Trend, der Badefans in den letzten Jahren kaum entgangen sein dürfte. Mädchen zwängen ihre Beine in einen engen Schlauch aus Stoff, ähnlich wie dem von Badeanzügen und Bikinis. Die Füße werden in eine Flosse gesteckt – der gesamte untere Bewegungsapparat wird somit ziemlich eingeschränkt. Trotzdem müssen sie sich bewegen, und zwar ganz grazil im Wasser. "Mermaiding" oder "Meerjungfrauschwimmen" heißt das dann. Und das Erstaunliche daran? Niemand findet etwas daran, wenn sich Mädchen in dieses Kostüm zwängen, in dem sie gerade einmal irgendwie nicht untergehen, kombiniert mit glitzernden Bikinioberteilen, die eigentlich kein Mädchen braucht. Das Mermaiding geht somit auch mit dem Trend einher, schon sehr kleine Mädchen in ein Bikinioberteil zu zwängen – von Sexualisierung der Mädchen spricht hier allerdings keiner. Diese Argumentation ist offenbar für die Kopftuchdebatte reserviert.

Wo sind die dicken Mädchen?

Mein Güte, wenn sie denn wollen! Doch so einfach ist es nicht. Muss man wirklich eine "Sportart" kreieren, bei der es vorrangig darum geht, sich trotz Behinderung durch ein Kleidungsstück irgendwie fortzubewegen – und dann noch möglichst "elegant" wie eine Meerjungfrau? Noch dazu eine, die die üblichen Schönheitsideale verbreitet, eine Norm vorgibt, was "hübsch" ist? Eine Freizeitbeschäftigung, bei der es vor allem um die ästhetische Performance geht, darum, eine "gute Figur" zu machen? Die meisten der hergezeigten "Meerjungfrauen" auf der Website der "Austrian Mermaids" haben eine Wallemähne und einen sehr schlanken Körper. Und sind weiß. Wie beschränkt die Bilder in den Köpfen sind, zeigte erst kürzlich der Ärger vieler Menschen darüber, dass mit Halle Bailey eine Woman of Color in dem Remake "Arielle, die Meerjungfrau" die Hauptrolle übernimmt.

Und eine dicke Meerjungfrau mit Kurzhaarschnitt? Die gibt es freilich ebenso nicht. Auch keine Buben.

Obwohl, auf der Site der Meerjungfrauen des hiesigen Binnenstaates gibt man sich offen und spricht von "Meerjungfrauen & -männern". De facto zeigen die Bilder auf der Website aber nur Mädchen – abgesehen von zwei Bildern älterer Herren, die sich natürlich nur spaßeshalber in die Kostüme zwängten. Quasi in bester Tradition eines Humors, der sich darin erschöpft, dass Männer in "Frauenkleidern" auftreten.

Deprimierende Frauenbilder

Geschlechterstereotype und Sexismus sind deshalb so schwer zu bezwingen, weil sie auch in vielen kleinen Details stecken. Jedes davon für sich genommen lässt sich leicht als Bagatelle abtun, sei es das Mermaiding oder jedes andere mit aggressivem Gendermarketing beworbene Produkt. Und davon gibt es heute so viel wie nie zuvor. Doch statt die dahinterstehenden deprimierenden Frauen- und Männerbilder zu kritisieren, die Kindern so unentwegt vorgesetzt werden, tut man lieber so, als wären wir über diese Klischeekiste längst hinweg. Sind wir offensichtlich nicht. (Beate Hausbichler, 13.8.2019)