Archäologische Daten zeichnen eigentlich ein eindeutiges Bild: Schweine wurden vor etwa 10.500 Jahren im Nahen Osten domestiziert und gelangten knapp 2.000 Jahre später mit der Ausbreitung der Landwirtschaft nach Europa. Allerdings gibt es eine Komplikation: Moderne europäische Hausschweine weisen so gut wie keine genetischen Übereinstimmungen mit Wildschweinen aus dem Nahen Osten auf, wie eigentlich zu erwarten wäre. Allem genetischen Anschein stammen sie von der europäischen Wildform ab. Wurden Schweine also in Europa noch einmal domestiziert?

Bild nicht mehr verfügbar.

In der Domstikationsgeschichte des europäischen Hausschweins gibt es Unstimmigkeiten. Diese konnten nun ausgeräumt werden.
Foto: Reuters/Oleg Popov

Forscher der Oxford University und der Queen Mary University in London konnten nun Licht ins schweinische Dunkel bringen: In einer groß angelegten Studie zeichneten sie die genetische Entwicklung der Nutztiere nach und kommen zu einer Lösung des jahrtausendealten Rätsels. Das Hausschwein wurde demnach nicht erneut domestiziert, sondern durchlebte einen massiven genetischen Wandel.

Genetischer Austausch

Für ihre Arbeit im Fachblatt "PNAS" analysierte das Forscherteam DNA-Sequenzen von mehr als 2.000 Schweinen, die über eine Zeitspanne von 10.000 Jahren lebten: Die Daten stammen aus archäologischen Fundstätten und von heute lebenden Tieren. Wie sich dabei nachvollziehen ließ, erreichten die ersten Hausschweine Europa tatsächlich vor rund 8.500 Jahren. Auch 1.500 Jahre später besaßen die Tiere noch viel Genmaterial ihrer Vorfahren aus dem Nahen Osten.

Ein Wildschwein streift durch deutsche Gefilde.
Foto: APA/dpa/Fredrik von Erichsen

Doch nach einem weiteren Jahrtausend wandelte sich das Bild: In den Überresten von Tieren, die nicht älter als 6.000 Jahre alt waren, fanden die Forscher nur noch maximal vier Prozent DNA, die sie einst aus Vorderasien mitbrachten. Dafür nahm der genetische Anteil europäischer Wildschweine zu.

Suche nach alten Genen

Die Ergebnisse würden belegen, dass Schweine nicht Europa ein zweites Mal domestiziert wurden, so die Forscher. Vielmehr habe sich ihr Genom durch Vermischung mit europäischen Wildschweinen verändert. Das fast komplette Verschwinden der ursprünglicheren Erbgut-Anteile sei darauf zurückzuführen, dass Schweinehalter in den vergangenen 5.000 Jahren offenbar eher Tiere zur Zucht auswählten, bei denen die Merkmale europäischer Wildschweine vorherrschten.

Verwildertes Hausschwein auf Sardinien.
Foto: Domenico Fulgione

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschafter im Genom der modernen europäischen Hausschweine die wenigen Gene identifizieren, die sie von ihren Vorfahren aus dem Nahen Osten beibehalten haben. "Auf diese Weise können wir beurteilen, ob die künstliche Selektion, die die frühen Landwirte im Fruchtbaren Halbmond vor über 10.000 Jahren vorgenommen haben, bei modernen Schweinen über die Fellfarbe hinaus noch weitere Spuren hinterlassen hat", schreiben die Forscher. (dare, 12.8.2019)