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Jahrelang wandelte Griechenland am Rande des fiskalischen Abgrunds, nun muss es ohne Rettungsschirme wieder nachhaltig Tritt fassen.

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Eine Erfolgsbilanz sieht wohl anders aus. Knapp ein Jahr ist es her, dass Griechenland mit dem Ende des dritten Rettungspakets im August des Vorjahres seine finanzielle Selbstbestimmung, zumindest mit Einschränkungen, wiedererlangt hat. Insgesamt rund 289 Milliarden Euro hat das Land von Euro-Partnern und IWF seit 2010 erhalten – und zwar um den Preis einer aufgezwungenen Rosskur, die den Griechen eine schmerzhafte Dauerrezession bescherte.

Im Juli wurde die Syriza-Linksregierung unter Premier Alexis Tsipras abgewählt, nun will sein Nachfolger Kyriakos Mitsotakis das Land mit wirtschaftsfreundlicher Politik wieder auf Kurs bringen. Denn Griechenland hat zwar inzwischen wieder etwas Tritt gefasst, auf sicheren Beinen steht es deshalb aber noch lange nicht. Besser bezahlte Jobs im Privatsektor stehen ebenso auf Mitsotakis Agenda wie Privatisierungen, Steuersenkungen für Unternehmen sowie vermehrte ausländische Investitionen.

Schleppende Erholung

Allein: Dazu muss der Premier den internationalen Gläubigern Erleichterungen bei den finanziellen Auflagen abringen. Diese verlangen bisher von Athen bis 2022 einen Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent. Mitsotakis will diese Vorgabe abschwächen, um über mehr Luft für wachstumsfördernde Investitionen aus öffentlichen Mitteln zu verfügen. Denn mit 1,3 Prozent auf Jahressicht war das Wachstum im ersten Quartal nur mäßig, und die Arbeitslosigkeit lag zuletzt noch bei 17,2 Prozent.

Der neue griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Nea Dimokratia will von den Geldgebern mehr finanziellen Spielraum für Investitionen der öffentlichen Hand.
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Also eine nur mäßig dynamische Erholung nach dem Absturz seit 2010, als das erste Rettungspaket gezimmert wurde. Das Grundproblem: Die Geldgeber pochten auf strikte Sparpolitik, unterschätzten aber deren verheerende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft – Griechenland büßte seitdem ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung ein, die Einkommen der Bevölkerung sanken ebenfalls um rund ein Viertel und ihre Vermögen um 40 Prozent. "Es wurden von Anfang an Fehler gemacht", räumte selbst EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici vor rund einem Jahr ein.

Tiefe Anleihenrenditen

Als Erfolg darf gewertet werden, dass sich Griechenland wieder selbst an den Finanzmärkten finanzieren kann. Mitte Juli erfolgte die dritte Platzierung einer Anleihe seit dem Ende des Hilfsprogramms, eine siebenjährige Schuldverschreibung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro wurde zu einer Rendite von 1,47 Prozent am Markt begeben. Die Nachfrage war hoch, man hätte auch 13 Milliarden platzieren können. Selbst zehnjährige Papiere kosten derzeit nur noch 2,2 Prozent Rendite.

"Griechenland kann sich wieder günstig am Kapitalmarkt finanzieren, aber eigentlich wäre das Doppelte angemessen", sagt dazu Peter Brezinschek, Chefanalyst von Raiffeisen Research. Aber die Renditen Griechenlands würden durch die expansive Geldpolitik der EZB gedrückt, ebenso durch den Veranlagungszwang vieler Großanleger. "Das führt zu einem total verzerrten Bild."

Holpriger Weg

Im Grunde sieht er Griechenland aber auf gutem Weg, wenngleich dieser holprig sei. Dem neuen Premier Mitsotakis legt Brezinschek nahe, durch Unternehmensinvestitionen einen Strukturwandel hin zu höherwertigen Produkten zu forcieren, also mehr Wertschöpfung im Inland zu schaffen. Ein Beispiel: Statt Agrarprodukte direkt zu exportieren, sollten diese zuvor im Inland weiterverarbeitet werden. "Es muss mehr von der Investitionsseite kommen", sagt Brezinscheck.

Ihm zufolge bremsen vor allem die wirtschaftlichen Probleme der Türkei und Italiens derzeit die Entwicklung in Griechenland. Muss deshalb befürchtet werden, dass das Land in ein, zwei Jahren ein weiteres Hilfspaket benötigt? Brezinschek: "Definitiv nicht." (Alexander Hahn, 13.8.2019)