Telefonistinnen zur Jahrhundertwende. Damals war die Welt noch in Ordnung.

Foto: Post/ Telekom Austria/APA

Ein Kollege schrieb mir kürzlich eine Nachricht über Slack, in der er mir mitteilte, dass er mir eine E-Mail geschickt hat. In der Mail stand, dass jemand versucht hat, mich im Büro anzurufen. Ich wiederum schrieb der Person eine SMS mit dem Hinweis, dass ich für Rückrufe per Handy erreichbar bin. Sie rief daraufhin an und teilte mir mit, dass eigentlich eh kein Rückruf mehr kommt. So geht Kommunikation im Jahr 2019, und es ist schrecklich.

Wirrwarr

Gab es früher Briefe, Telefonate und Faxe, muss man heute dutzende Kanäle bespielen. Unter welcher Nummer ist Kollege X grad aktuell erreichbar? Nutzt A eigentlich Whatsapp oder Telegram? Schreib mir lieber keine Mail, das Postfach schau ich nie an. H. braucht man gar nicht anrufen, der hebt nie ab. Der Kollegin I. kann man Slack-Nachrichten schicken, aber nur im Channel XY, weil die anderen liest sie nicht.

Mehrere Messenger, berufliche und private Handynummern, berufliche und private E-Mail-Adressen, Direktnachrichten über soziale Medien – wenn es wichtig ist, dann muss man eine Person heute über mehrere Kanäle zu erreichen versuchen. Das ist ineffizient und eigentlich genau das Gegenteil von dem, was viele dieser Dienste eigentlich versprechen – eine einfache und direkte Kommunikationsmöglichkeit mit Kollegen, Kunden, Freunden, Familie. Der Markt hat ein Wirrwarr an inkompatiblen Lösungen hervorgebracht. Und laufend kommen neue hinzu.

Kurzlebigkeit

Auch die öffentliche Kommunikation leidet unter dem Wildwuchs. Wo müssen Unternehmen, Medien, Politiker heute sein, um junge Menschen zu erreichen? Kaum baut man sich auf einem Kanal eine Präsenz mit halbwegs ordentlicher Reichweite auf, wandert das Publikum schon zur nächsten Plattform. Facebook ist schon längst out, Whatsapp auf einem absteigenden Ast. Snapchat ist ebenfalls von gestern. Die Musik spielt derzeit auf Instagram. Und der App-Shootingstar der Stunde heißt Tiktok – lange wird aber auch das nicht halten.

Selbstverständlich will niemand zurück zu ausschließlich Briefen, Telefonaten und Faxen. Briefe sind langsam. Telefonieren will niemand mehr. Und Faxe? Davon sprechen wir erst gar nicht. E-Mail und Messenger haben die Kommunikation revolutioniert. Wir haben nur über das Ziel hinausgeschossen. Und das nächste Unternehmen, das verspricht, das alles mit der einen Plattform zu lösen, lässt das Chaos nur weiterwachsen. (Birgit Riegler, 10.9.2019)