Cristina Kirchner könnte bald Vizepräsidentin Argentiniens sein.

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Nur wenigen Politikern gelingt es, irgendwann ihren eigenen Ismus zu kreieren. Und erst recht nur wenigen Politikerinnen. Das Ehepaar Kirchner in Argentinien hat genau das geschafft. Und so waren es am Wochenende wohl auch Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und der "Kirchnerismus", die bei den Vorwahlen im Rennen um das Staatsoberhaupt für einen Sieg der Linken sorgten.

Cristina Kirchner selbst hatte sich zwar nur für das Amt der Vizepräsidentin beworben – im Team von Alberto Fernández, der aus dem Urnengang als stärkster Bewerber hervorging. Doch kaum jemand zweifelt daran, dass die Strahlkraft der 66-Jährigen großen Anteil am Erfolg ihres früheren – nicht mit ihr verwandten – Kabinettschefs hatte.

Die ideologischen Auseinandersetzungen in dem südamerikanischen Land dürfte Kirchner schon in Kindertagen miterlebt haben. Ihre Mutter war Gewerkschaftsführerin aus den Reihen der Peronisten, benannt nach dem legendären Präsidenten Juan Perón und seiner Frau Eva, besser bekannt als Evita. Auch Cristina schloss sich in den 1970er-Jahren der Peronistischen Partei an. Sie und ihr Mann Néstor Kirchner, den sie während ihres Jusstudiums kennengelernt hatte, wurden bald zum politischen Dreamteam mit Stationen in Kommunal- und Regionalpolitik sowie im Parlament.

Sinkender Stern

Als Néstor 2003 zum Präsidenten gewählt wurde, war Cristina federführend an seiner Kampagne beteiligt. Vier Jahre später kandidierte sie selbst erfolgreich für das höchste Amt im Staat. Als sie 2011 wiedergewählt wurde, trug sie Trauer: Im Jahr zuvor war Néstor gestorben.

Nach dem Ende ihrer Präsidentschaft wechselte die zweifache Mutter erneut ins Parlament, doch ihr Stern schien rasant zu sinken: Zu Korruptionsvorwürfen kam der Verdacht, sie habe die Aufklärung eines Anschlags auf das jüdische Gemeindehaus in Buenos Aires von 1994 behindert. Der zuständige Sonderstaatsanwalt Alberto Nisman wurde 2015 erschossen. Ein späterer Haftbefehl gegen Kirchner wegen mutmaßlicher Verschleierung des Anschlags konnte nicht vollstreckt werden: Als Senatorin genoss sie Immunität.

Nun könnte der Kirchnerismus sie wieder in die obersten Etagen der Politik bringen. Soll heißen: staatliche Intervention gegen Neoliberalismus, Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur, liberale Haltung in Sachen LGBT-Rechte – und, so wie einst bei den Peróns, ein gerüttelt Maß an Personenkult. (Gerald Schubert, 13.8.2019)