Die Proteste gegen den Zwölfstundentag nützten nichts: ÖVP und FPÖ setzten das Gesetz durch.

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Wien – Vor allem bei Arbeitnehmervertretern sorgte die Einführung des Zwölfstundentags Anfang September des Vorjahres für große Aufregung. Man fürchtete große Nachteile für die Arbeitnehmer. In der Praxis hat sich das Konzept allerdings durchaus schon durchgesetzt. Die Möglichkeit eines Zwölf-Stunden-Arbeitstags in der Gleitzeit wird bereits von 30 Prozent der Unternehmen genutzt – das hat eine Umfrage ergeben, die von Deloitte Österreich, der Universität Wien und der Universität Graz durchgeführt wurde. Demnach werden die Arbeitszeiten generell immer flexibler, und die Heimarbeit nimmt stark zu.

Befragt wurden österreichweit 214 Führungskräfte und Personalchefs. Das Ergebnis: Flexibles Arbeiten ist in Österreich auf dem Vormarsch, und Kernarbeitszeiten verlieren an Bedeutung. Vor zwei Jahren hätten noch fast zwei Drittel der Unternehmen auf Gleitzeit mit Kernzeit gesetzt, jetzt tue das nur mehr die Hälfte. "Bereits bei einem Viertel der Unternehmen arbeitet die Mehrheit der Mitarbeiter ohne Kernzeiten", sagte Barbara Kellner, Managerin bei Deloitte Österreich.

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Während sich der Zwölfstundentag in der Gleitzeit bereits etabliert hat, stößt die 30-Stunden-Woche bei den heimischen Unternehmen noch auf wenig Interesse. In Österreich wurde das Modell bisher von nur knapp einem Prozent der Firmen tatsächlich eingeführt.

Mehr "Home-Office"

Fast alle Unternehmen gaben an, dass Mitarbeiter ihre Bürojobs schon von zu Hause aus erledigen könnten – allerdings dürfen das bei einem Drittel der Firmen nur einzelne Mitarbeiter. Dennoch nimmt die tatsächliche Nutzung von "Home-Office" stark zu, sie hat sich laut Befragung in den letzten zwei Jahren mehr als verdoppelt. 86 Prozent der Befragten gaben an, dass das Angebot von einem beträchtlichen Anteil der Mitarbeiter tatsächlich in Anspruch genommen werde. Bei der letzten Befragung 2017 gaben das nur 42 Prozent an. Allerdings würden sich Mitarbeiter manchmal nicht trauen, Home-Office-Angebote wahrzunehmen, wenn physische Anwesenheit mit Leistung gleichgestellt werde, erklärte Kellner.

Dauernd auf Abruf

Ständige Erreichbarkeit spielt neben physischer Anwesenheit nach wie vor eine große Rolle für viele Unternehmen. Gerade von Führungskräften erwarten 65 Prozent der Befragten, dass sie auch in ihrer Freizeit erreichbar sind. Von Mitarbeitern wird das von einem Viertel der Unternehmen eingefordert. "Flexibles Arbeiten kann mehr Freiheit und Autonomie mit sich bringen. Durch die hohen Erwartungen an die Erreichbarkeit, gepaart mit fehlenden Grenzen zwischen Job und Privatleben, geht diese Freiheit aber oft wieder verloren", sagt Bettina Kubicek, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Graz.

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Fehlendes Vertrauen

An sich dürften Unternehmen aber noch ein ambivalentes Verhältnis zum flexiblen Arbeiten haben. Zum einen geben 75 Prozent an, ihren Mitarbeitern zu vertrauen. Zum anderen setzen 39 Prozent der Unternehmen in diesem Zusammenhang aber auf zusätzliche Kontrollmechanismen. "Die Unternehmen müssen das Loslassen lernen und innerhalb eines klar kommunizierten Regelwerks eine gesunde Vertrauenskultur entwickeln. Nur so können sie als zeitgemäße Arbeitgeber attraktiv bleiben", erklärt Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wien.

Historischer Trend beendet

Historisch gesehen ist die Arbeitszeit in Österreich seit dem 19. Jahrhundert immer weiter gesunken. Seit 1975 gilt die 40-Stunden-Woche, zehn Jahre danach wurde das wöchentliche Arbeitsausmaß auf 38,5 Stunden gesenkt. Diesem Trend hat die vorige türkis-blaue Regierung mit der 60-Stunden-Woche respektive dem Zwölfstundentag ein Ende gesetzt.

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(red, APA, 13.8.2019)