Folgenreiches Bombardement: Künstlerische Darstellung der jungen Erde im Meteoritenhagel.

Illustration: NASA / Goddard Space Flight Center Conceptual Image Lab

Wie entstand das Leben auf unserem Planeten? Zu dieser existenziellen Frage gibt es zahlreiche Theorien – eines ist aber inzwischen unter Forschern unumstritten: Astronomische Objekte wie Meteoriten und Kometen spielten dabei eine entscheidende Rolle. Welche genau, ist nach wie vor nicht geklärt. Sie dürften aber Wasser und wichtige biochemische Moleküle mitgebracht haben.

Ein internationales Forscherteam liefert nun weitere Belege dafür, dass Meteoriten schon vor der Entstehung des Lebens daran beteiligt waren, die Erde überhaupt bewohnbar zu machen: Meteore aus dem äußeren Sonnensystem brachten demnach in der späten Entwicklung unseres Planeten Wasser, Kohlenstoff und andere flüchtige Stoffe in großer Menge in den Erdmantel ein.

Für ihre Studie in "Nature Geoscience" führten die Wissenschafter um Maria Isabel Varas-Reus von der Universität Tübingen und Jean-Pierre Lorand von der Université de Nantes Isotopenmessungen zum chemischen Element Selen im Gestein des Erdmantels durch. Dazu nutzten sie ein neues Aufbereitungsverfahren.

Spuren aus dem Finale der Erdentstehung

Eigentlich dürfte Selen im Erdmantel nicht zu finden sein. "Es wird von Eisen angezogen. Daher ging es in der Frühgeschichte unseres Planeten in den eisenreichen Kern der Erde ein", sagte Varas-Reus. Dem Erdmantel sei es dadurch entzogen worden. "Die vorherigen Selensignaturen wurden dort vollständig gelöscht." Das Selen, das heute im Erdmantel zu finden ist, muss daher nach der Entstehung des Erdkerns hinzugekommen sein. "Sozusagen im letzten Moment der Erdentstehung, nachdem sich auch unser Mond gebildet hatte", so die Forscherin. Eine genaue Zeitangabe sei schwierig, der Zeitraum liege irgendwo zwischen 4,5 und 3,9 Milliarden Jahren vor dem gegenwärtigen Zeitpunkt.

Für die aktuelle Studie nahm das Forscherteam Proben vom Erdmantelgestein, das durch plattentektonische Prozesse an die Oberfläche gelangt war. Darin bestimmten sie die Isotopensignaturen des Selens. Als Isotope werden Atome des gleichen chemischen Elements mit unterschiedlicher Masse bezeichnet. "Selenisotopenmessungen bei hohen Konzentrationen sind schon länger möglich, etwa bei Proben aus Flüssen", erklärte Varas-Reus. "Im Gestein ist jedoch die Selenkonzentration sehr gering. Es muss bei hohen Temperaturen herausgelöst werden, und Selen ist flüchtig. Das macht die Messungen schwierig." Ein neuartiges Verfahren macht aber genau das möglich.

Kohlige Chondrite

Dass Meteoriten dem Erdmantel Stoffe hinzugefügt haben, wird schon seit langer Zeit vermutet. "Man hat aber eher auf Meteoriten aus dem inneren Sonnensystem gesetzt", so Varas-Reus. Die Forscher waren daher überrascht, dass die Selenisotopensignaturen aus dem Erdmantelgestein ein ganz anderes Bild zeichneten: Sie passten exakt zu einem bestimmten Typ von Steinmeteoriten aus dem äußeren Sonnensystem.

Diese sogenannten kohligen Chondrite stammen aus den Bereichen jenseits des Asteroidengürtels. Was brachten diese Brocken sonst noch mit? Varas-Reus: "Nach unseren Berechnungen stammen rund 60 Prozent des heute auf der Erde vorhandenen Wassers aus dieser Quelle. Nur so konnten sich Ozeane bilden." Weitere flüchtige Stoffe aus diesen Meteoriten trugen zur Entstehung der schützenden Erdatmosphäre bei, so die Wissenschafter. So hätten sie die Voraussetzungen geschaffen, dass sich auf der Erde das Leben in seiner heutigen Form entwickeln konnte. (red, 19.8.2019)