Kein Ungeheuer, sondern eine Art auf der Roten Liste: die Schuppenfuß-Schnecke, von der sich zwei Exemplare im Naturhistorischen Museum Wien befinden.

Foto: Chong Chen, JAMSTEC

Heiße Tiefseequellen sind stets für Überraschungen gut: Erst vor rund 40 Jahren als Lebensraum entdeckt, sorgen sie mit dort neu gefundenen Tierarten immer wieder für Schlagzeilen.

Doch während die Wissenschaft sich noch bemüht, die hochspezialisierten Artengemeinschaften zu dokumentieren und zu verstehen, sind diese schon massiv gefährdet: Lizenzen für Probebohrungen in der Tiefsee sind bereits vergeben, und der Effekt auf die dort ansässige Fauna dürfte kaum positiv ausfallen. Kürzlich wurde die erste Tiefsee-Art in die Rote Liste der gefährdeten Tiere aufgenommen – sie ist auch im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien zu Hause.

Bei der Art, die bis auf weiteres die Fahne der Tiefsee hochhalten soll, handelt es sich um eine Schnecke, und sie könnte kurioser nicht sein. Den Namen Schuppenfuß-Schnecke (Chrysomallon squamiferum) hat sie daher, weil ihr Fuß – also der weiche, rückziehbare Teil des Körpers von Gehäuseschnecken – mit Plättchen aus Eisensulfid gepanzert ist.

Damit nicht genug, ist auch in ihrer Schale Eisensulfid eingelagert. Dieser Umstand führt dazu, dass die Tiere, aus dem konservierenden Ethylalkohol an die Luft gebracht, zu "rosten" beginnen, indem sie von einer gelblichen Schicht überzogen werden.

Die Schnecken sind etwa so groß wie die heimischen Weinbergschnecken, leben aber in Tiefen zwischen 2400 und 2900 Metern an sogenannten Schwarzen Rauchern, also aus dem Meeresboden aufragenden Schloten, aus denen heißes Wasser strömt. Selbstständig ernähren kann sich die Schuppenfuß-Schnecke nicht. Die Nährstoffbeschaffung erledigen chemoautotrophe Bakterien für sie, mit denen sie in Symbiose lebt.

Winziges Habitat

Ihr Verbreitungsgebiet ist sehr bescheiden: Bisher kennt man die Art nur von drei Stellen im Indischen Ozean, und diese Stellen sind winzig: nicht einmal so groß wie ein Fußballfeld. Ein Austausch zwischen diesen Habitaten scheint nicht zu erfolgen, das heißt: Wenn eine Population zusammenbricht, gibt es keinen Nachschub von anderen Schloten.

Umschichtungen und andere Störungen der fragilen Tiefsee-Habitate durch Bohrroboter könnten das Ende dieser und anderer Arten bedeuten. Die Chancen dafür stehen derzeit leider gut: Meeresböden, die mehr als 22,2 Kilometer (zwölf nautische Meilen) von einer Küste entfernt sind, gelten als "gemeinsames Erbe der Menschheit" und fallen in die Zuständigkeit der von der UN gegründeten Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority).

Diese befasst sich derzeit allerdings vorwiegend damit, ob und wie man aus diesen Meeresböden in Zukunft Metalle wie Mangan, Eisen, Nickel, Kobalt oder Kupfer schürfen könnte.

Dieser Entwicklung versuchen Meeresbiologen mit der Unterschutzstellung der kleinen "eisernen" Schnecke entgegenzuwirken. Entdeckt wurde die Art 2001, offiziell als neue Art beschrieben aber erst 2015. 2016 suchten die Meeresbiologen Chong Chen von der Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC) und Julia Sigwart von der Queen's University Belfast wochenlang nach der Schuppenfuß-Schnecke, ehe sie sie eine gesunde Population vor Mauritius fanden.

Stark gefährdete Schnecke

Bei der Gelegenheit entstand die Idee, die Schnecke von der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (International Union for Conservation of Nature, IUCN) als erste Tiefsee-Art als "stark gefährdet" einstufen zu lassen – ein Unterfangen, das jede Menge Papierkrieg und gewöhnlich viele Jahre in Anspruch nimmt. Diesmal jedoch ging die Aufnahme in die Rote Liste verhältnismäßig rasch: Seit 4. Juli dieses Jahres ist die Schuppenfuß-Schnecke offiziell enthalten.

Das Naturhistorische Museum in Wien ist eines der wenigen Häuser in Europa, die Schuppenfuß-Schnecken besitzen. Chong Chen überließ dem Museum 2015 zwei Exemplare der kuriosen Art – ein Umstand, der "uns sehr stolz macht", wie Anita Eschner, Leiterin der Mollusken-Sammlung, betont.

Für die Öffentlichkeit zu sehen sind die beiden wertvollen Exemplare leider nicht. Sie werden bei konstanten 16 Grad Celsius aufbewahrt, um sie vor Schädigungen zu schützen. Sehr wohl zu besichtigen sind hingegen Teile von drei Schwarzen Rauchern aus ca. 2500 bis 2800 Metern Tiefe im Saal 4 (Mineralogie), im Saal 6 (Geologie) und im Saal 23 (Mollusken).

Tiefsee-Thermalquellen beherbergen eine enorme Anzahl von endemischen Arten, die sonst nirgends auf der Welt vorkommen. 14 weitere davon, die im Indischen bzw. im Pazifischen Ozean leben, sollen in nächster Zeit ebenfalls auf die Rote Liste kommen. Das Kalkül dahinter: "Wenn in einem Gebiet geschützte Rote-Listen-Arten vorkommen, können Entscheidungsträger eine mögliche Gefährdung nicht mehr so leicht ignorieren", weiß Anita Eschner. (Susanne Strnadl, 18.8.2019)