Immer mehr Biertrinker suchen nicht mehr ein beliebiges Gebräu, sondern einen ganz bestimmten Geschmack, der einem liebevoll gebrauten und qualitativ hochwertigen Craft-Beer innewohnt.

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Die weltweite Brauzunft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu immer größeren Konzernen zusammengeballt. Der Geschmack der "Konzernbiere" wurde damit nicht aufregender. Im Schatten der Fusionswelle begann dafür die Szene der Craft-Biere zu keimen.

In den USA entdeckten Kleinbrauer alte europäische Traditionen, die einst von der Prohibition gekappt wurden. In Europa entstehen unter diesem Schlagwort heute auch zahlreiche "Kreativbiere", die mit auffälligen Geschmacksnoten, besonderer Qualität und exklusivem Image aufwarten.

Mit der Diversität geraten auch die Herstellungsmethoden in den Fokus – und diese können durchaus auch an einer Hochschule Platz haben. Bewiesen wird das etwa von der FH Campus Wien, wo man vor einigen Jahren mithilfe einer Fachhochschulförderung der Stadt Wien ein "Scientific Brewhouse" eingerichtet hat.

"Anhand des Bierbrauens kann man sehr viele Prozesse aus der Biotechnologie abbilden", beschreibt Michael Maurer, der die Studiengänge im Fachbereich Bioengineering leitet, die Intention. "Wir verwenden Brauen als didaktisches Werkzeug, um Studierenden spielerisch wichtige Aspekte des biotechnologischen Qualitätsmanagements beizubringen."

Die meisten Studierenden, die Jahr für Jahr im Scientific Brewhouse werken, werden nicht den Brauberuf ergreifen, räumt Maurer ein. Dennoch könne man hier Kompetenzen etwa in der Qualitätskontrolle oder der Betriebshygiene mitnehmen, die vielerorts gebraucht würden. Hier werden nicht nur Masterarbeiten in der Brautechnik geschrieben, auch ein eigenes Forschungsprojekt, das sich mit der Genetik der Hefe beschäftigen soll, ist in Planung.

Wissenstransfer

Zudem wird Wissen noch in einer weiteren, spezialisierteren Form weitergegeben. Forscher der FH Campus Wien und des MCI Innsbruck vermittelten im Qualifizierungsseminar "BrauTech II" vor kurzem Vertretern von sechs Brauereien theoretisches und praktisches Know-how in Bereichen wie Fermentationstechnologie, Hefemanagement oder Betriebshygiene. Das Projekt wurde von der Förderagentur FFG mit Mitteln des Wirtschaftsministeriums unterstützt.

Grundsätzlich teilt sich die Arbeit in der Brauerei in zwei Bereiche, erklärt Maurer. Im "heißen" Teil des Sudhauses wird aus Malz vergärbarer Zucker produziert. Beim Würzekochen wird Hopfen hinzugegeben, der wichtige Bitterstoffe beisteuert. "Je nach Art des Biers wird die Würze dann auf zehn bis 18 Grad Celsius abgekühlt", sagt der Bioverfahrenstechniker. "Hier beginnt der 'kalte' Teil, in dem die Arbeit der Hefe im Zentrum steht. Hygiene ist hier etwa besonders wichtig."

Die richtige Hefe ist das Um und Auf. Die Stämme gelten vielen Brauereien als wichtiges Betriebsgeheimnis. Reinkulturen werden bei minus 80 Grad gelagert und nach Entnahme und unter kontrollierten Bedingungen "hochgezüchtet". "Sie müssen genug Reservestoffe einlagern, die sie bei ihrer Arbeit im Gärprozess nicht mehr produzieren können", erklärt der Forscher. "Der Brauprozess ist auch für die Hefe stressig."

In der Gärung hat die Hefe viel Zucker zur Verfügung, den sie hauptsächlich in Ethanol und Kohlendioxid umsetzt. Der Sauerstoff verknappt sich dagegen binnen Minuten. "Die Hefe hat fünf, sechs Generationen lang Zeit, gutes Bier zu produzieren", sagt Maurer. Nach diesem Prozess kann sie wieder geerntet und nach einer Belüftung wiederverwendet werden. "Große Brauereien setzen bis zu sechs Mal dieselbe Hefe ein. Dann ist sie so degeneriert, verunreinigt und von Mutationen geprägt, dass sie unbrauchbar ist."

Wahl, Zucht und Pflege von Hefe ist eine Wissenschaft für sich. Man könnte theoretisch in die Natur gehen und sich einen neuen Stamm suchen. "Die meisten verwendeten Hefestämme, die in der Bier-, Wein- oder Sakeproduktion Verwendung finden, wurden aber über lange Zeit domestiziert – ähnlich dem, wie der Wolf als Hund domestiziert wurde", veranschaulicht Maurer. "Laut einer Studie sind die 120 häufigsten industriell verwendeten Stämme auf fünf Familien zurückführbar."

Aromen züchten

In den USA gibt es mittlerweile genmodifizierte Designerhefe, die die Bitterstoffe des Hopfens gleich mitproduziert. Speziell gezüchtete Stämme schaffen Aromen, die nach Zitrusfrüchten oder Weihnachtsgebäck schmecken. Die Auswirkung der Hefeart auf das Produkt ist essenziell: "Für 70 Prozent der Geschmacksstoffe im Bier ist nicht Malz oder Hopfen, sondern Hefe verantwortlich", sagt Maurer.

Um dies zu veranschaulichen, habe man im Qualifizierungsseminar etwa gezielt Biere mit verschiedenen Stämmen hergestellt, die dann auch entsprechend unterschiedliche Aromen hervorbrachten. In einem Forschungsprojekt, das die Molekularbiologie der Brauhefen untersucht, könnte man mehr über die jeweils produzierten Geschmacksnoten herausfinden, ist Maurer überzeugt.

"Der Stoffwechsel der Zelle bringt niedermolekulare Stoffe hervor, die für den Menschen nach Erdbeere oder Nelken schmecken können. Die Frage ist, welche Genetik zu welchem Aroma führt."

Dass die Experimente im Scientific Brewhouse zu ausgeichnetem Geschmack führen können, wurde bei der vergangenen Austrian Beer Challenge, einem heimischen Brauwettbewerb, gezeigt. "Es werden von den Studierenden Rezepte vorgeschlagen, die wir dann gemeinsam für den Bewerb einbrauen", erläutert Maurer.

Zuletzt wurde der zweite Platz in der "Königskategorie" India Pale Ale errungen. "Mit sieben Prozent Alkoholanteil ist es ein stärkeres Bier, das durch seine markant hopfige Note, durch Aromen von Zitrusfrüchten und Litschi, ausgewogene Bitternoten sowie durch einen satten orangefarbenen Bierkörper besticht", schwärmt Maurer. (Alois Pumhösel, 16.8.2019)