UV-Filter schützen die Haut. Nun wird untersucht, ob die enthaltenen organischen Filter eine hormonähnliche Wirkung haben könnten.

Foto: Imago / Bild Funk MV

Ob Creme, Lotion oder Spray: Konsequentes Einschmieren schützt vor Sonnenbrand, Hautkrebs und Hautalterung. Verantwortlich sind die in den Sonnenschutzmitteln enthaltenen UV-Licht filternden Substanzen. Doch ebendiese sorgen mitunter für Verunsicherung.

Einerseits hat wohl außer Pharmazeuten und Hautärzten kaum jemand einen Überblick über die Substanzen mit den komplizierten Namen. Zum anderen gibt es Diskussionen, dass die Mittel Nebenwirkungen haben könnten. Aber sind diese so gravierend, dass vom eigentlich sinnvollen Eincremen abzuraten wäre?

Es gibt zwei Gruppen von Sonnenschutzfiltern: Organische Filter, oft fälschlicherweise als "chemisch" bezeichnet, absorbieren die UV-Strahlen und wandeln sie in Wärme und ungefährliches Fluoreszenzlicht um.

Unter anorganischen (oder mineralischen) Filtern versteht man vor allem Zinkoxid und Titandioxid. Sie bilden eine Barriere auf der Haut, wo sie das UV-Licht streuen, reflektieren und absorbieren. Früher machten solche anorganischen Filter die Haut weiß, heute sind sie häufig in Form von Nanopartikeln in die Cremes eingearbeitet, sodass dieser "Weißeleffekt" ausbleibt. Weil keine Substanz allein das ganze Spektrum der UV-Strahlung abdeckt, enthalten gängige Sonnenschutzmittel in der Regel verschiedene Filtersubstanzen.

Zuletzt gerieten im Frühjahr die organischen Filter in die Schlagzeilen. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hatte untersucht, ob in handelsüblichen Sonnenschutzmitteln enthaltene Filtersubstanzen ins Blut übergehen. In der Studie mit 24 Teilnehmern ließen sich alle vier untersuchten organischen Filter (Avobenzon, Oxybenzon, Octocrylen und Ecamsul) schon ab dem ersten Tag des Eincremens im Blut nachweisen.

Aus den Ergebnissen könne man zwar nicht auf eine schädliche Wirkung schließen, heißt es in einem begleitenden Kommentar zur Studie im Fachblatt JAMA. Aber die Autoren fordern für die USA, wo Sonnenschutzmittel als rezeptfreie Medikamente eingestuft sind, weitere Untersuchungen.

Hormonähnliche Wirkung

In der EU firmieren Sonnenschutzmittel hingegen als Kosmetika. Für die Prüfung ist der Wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) der EU-Kommission zuständig, dem auch Gisela Degen zehn Jahre lang angehörte. Die Professorin für Toxikologie leitete bis zu ihrem Ruhestand im Jahr 2016 die Arbeitsgruppe Chemikalienrisiken am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund.

"Dass organische Filter über die Haut aufgenommen werden, weiß man schon länger", sagt Degen. Die Filtersubstanzen seien in der Creme gelöst und könnten von der Hautoberfläche in tiefere Hautschichten vordringen. Da diese durchblutet sind, werden die Filterstoffe in unterschiedlichem Ausmaß in den Blutkreislauf aufgenommen. "In sehr geringem Umfang ist das bei den meisten organischen Filtern der Fall", sagt Degen. Später würden sie von den Nieren aus dem Blut gefiltert und mit dem Urin wieder ausgeschieden. Die Frage ist nur, was in der Zwischenzeit im Körper passiert.

Vor allem geht es um die Frage, ob die organischen Filter den Hormonhaushalt durcheinanderbringen können. Im Mittelpunkt steht dabei meist eine östrogenartige Aktivität, also eine Wirkung ähnlich jener des weiblichen Sexualhormons Östradiol. Bei einigen organischen Filtern habe es in Studien mit Zellkulturen Hinweise auf eine hormonähnliche Wirkung gegeben, sagt Degen. Außerdem wuchs die Gebärmutter bei Ratten, deren Nahrung Forscher der Universität Zürich 2001 mit drei verschiedenen UV-Filterstoffen versetzt hatten – ein Zeichen für eine hormonartige Wirkung.

Geringe Konzentration

Allerdings, sagt Degen, seien das keinesfalls Beweise für einen solchen Effekt beim Menschen. Es sei etwas anderes, ob ein Stoff mit der Nahrung aufgenommen oder auf die Haut geschmiert werde, denn daraus resultierten ganz unterschiedlich hohe Konzentrationen im Körper. Ohnehin komme längst nicht alles, was man sich auf die Haut schmiere, auch im Organismus an. Für viele organische Filter liege dieser Anteil bei unter einem Prozent.

Insgesamt, sagt die Toxikologin, gebe es in den Bewertungen des SCCS keine Hinweise auf hormonähnliche oder andere schädliche Wirkungen der in der EU zugelassenen organischen Filter beim Menschen. Deshalb sieht sie keinen Grund, diese Art von Sonnenschutzfiltern in Europa als Medikamente einzustufen: "Wer diese Forderung aufstellt, müsste belegen, dass das aktuelle Zulassungsverfahren ungeeignet ist."

So sieht es auch der Pharmakologe Christian Surber von den Dermatologischen Universitätskliniken Basel und Zürich. Trotzdem empfiehlt er Schwangeren und stillenden Müttern, sich und ihre Kinder vorsichtshalber mit Sonnenschutzprodukten einzucremen, die nur mineralische Filter enthalten. Denn gerade Kinder haben eine im Verhältnis zur Körpermasse große Hautoberfläche und nehmen deshalb bezogen auf ihr Gewicht eine größere Menge der organischen Filtersubstanzen auf.

Mineralische Alternativen

Für Surber ein Argument zugunsten der mineralischen Alternativen: "Zinkoxid und Titandioxid gehen nicht durch die Haut" – selbst in ihrer Nano-Form nicht. Das liege vor allem daran, dass die Moleküle der mineralischen Filter trotz ihrer Bezeichnung um den Faktor zehn bis hundert größer seien als diejenigen modernerer organischer Filterstoffe. Damit werde es unmöglich für sie, durch die winzigen Lücken zwischen den Hautzellen hindurch in tiefere Schichten zu wandern.

An einem ganz neuen Ansatz wird derweil in Österreich geforscht. Ein Team der TU Wien arbeitet an der Entwicklung einer neuartigen Sonnencreme. Die Schlüsselkomponente ist Lignin, ein Molekül, das als Stützmaterial in verholzter Biomasse fungiert.

Die Verfahrenstechniker Martin und Angela Miltner beschäftigen sich schon seit Jahren mit dem Stoff, den sie unter anderem aus Stroh gewinnen. "Bei einem Experiment ist uns aufgefallen, dass sehr kleine Lignin-Partikel im Mikro- und Nanometerbereich entstanden sind", sagt Martin Miltner. Außerdem fanden sie heraus, dass Lignin UV-Licht absorbiert, wasserabweisend und ein Radikalfänger ist – ideale Eigenschaften für eine Sonnencreme.

"Wir wollen eine Alternative zu den organischen und anorganischen UV-Filtern anbieten", sagt Miltner. Eine, die ohne Chemikaliencocktail auskommt (einziges Lösungsmittel soll Ethanol sein), die vollständig biologisch abbaubar ist und nicht in die Haut eindringt. Erste dermatologische Tests mit der Med-Uni Wien seien positiv verlaufen, man stehe aber noch am Anfang.

Die vierköpfige Gruppe arbeitet mit dem TU-Bioraffinerie-Experten Anton Friedl zusammen und wird für anderthalb Jahre im Rahmen einer Spin-off-Initiative des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung mit etwa einer halben Million Euro gefördert. "Ziel ist es, in 18 Monaten ein Produkt zu entwickeln, das auf den Markt kommen kann", sagt Miltner.

Im Moment muss man noch auf konventionelle UV-Filter zurückgreifen. Und das sollte man unbedingt tun: Mindestens Lichtschutzfaktor 30 sollte es sein, am Meer und im Gebirge 50, und am besten zusätzlich zu schützender Kleidung und dem richtigen Verhalten (etwa Schatten zu suchen zwischen 11 und 15 Uhr). Denn obwohl es vielleicht nie eine Garantie geben wird, dass UV-Filter keinerlei Effekte im Körper auslösen: Dass sie die Haut vor Sonnenbrand und Hautkrebs schützen, ist sicher. (Florian Schumann, 18.8.2019)