Die Klimakrise ist eines der bestimmenden Themen des Sommers und wird nun auch in den Kommentarspalten des Landes wahrgenommen. Immer öfter äußern sich darum auch Kommentatorinnen und Kommentatoren zu politischen Vorschlägen, die sich erst kurz mit dem Thema beschäftigen. Das tut dem Diskurs nicht immer gut. Ein Beispiel dafür ist die Verzichtsdebatte, die immer dann auftaucht, wenn eine Klimaschutz-Maßnahme vorgeschlagen wird, die sich auf die Konsummöglichkeiten der Bürger auswirken könnte. Menschen, die sich für ihre Zukunft einsetzen, würden moralisieren, es drohten überzogene Belastungen und überhaupt sei die aktuelle Bewegung nur ein vorübergehender "Klimahype". Doch solche Beiträge, wie der Kommentar von Andreas Schnauder im STANDARD, sind genau das, was sie selbst der Klimabewegung vorwerfen: kontraproduktiv.

Wir müssen uns ändern

Wollen wir den drohenden Zusammenbruch unserer natürlichen Lebensgrundlagen verhindern, wird sich die Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, ändern müssen. Und ja, diese Veränderungen werden auch für den einzelnen Menschen spürbar sein. Anders wird es nicht gehen, wenn man die Fakten betrachtet.

Unsere Wirtschaft basiert auf billiger und ständig verfügbarer fossiler Energie. Ohne diese hätte sich unsere Gesellschaft wohl nie so schnell entwickeln können, wie es in den letzten Jahrzehnten geschehen ist. Der Preis dafür war die massive Übernutzung unserer ökologischen Lebensgrundlagen. Obwohl wir seit Jahrzehnten um die Klimakrise wissen, hat die Menschheit bisher effektiv nichts dagegen unternommen. Deswegen muss es nun umso schneller gehen. Das "Carbon Law" des renommierten Stockholm Resilience Centre etwa besagt, dass sich die globalen Emissionen nur für die Einhaltung des eigentlich unzureichenden Zwei-Grad-Limits jedes Jahrzehnt halbieren müssen.

Effizienz ist nicht genug

Zur Ökologisierung gibt es im Groben drei Strategien: Effizienz, also die Verbesserung des Verhältnisses von eingesetzten Ressourcen zum Output; Konsistenz, deren Ziel es ist, unsere lineare Wegwerfwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft umzubauen, unter anderem durch den Einsatz anderer Materialien und Produktionsweisen; und Suffizienz, die auf eine Verringerung der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen abzielt. Aktuell konzentrieren sich Politik und Wirtschaft fast ausschließlich auf die Effizienzstrategie. Mögliche Effizienzgewinne bewegen sich je nach Produkt jedoch meist in niedrigen einstelligen Bereichen pro Jahr – oder darunter. Dazu kommt der Rebound-Effekt: Effizienterer Ressourceneinsatz führt durch die Einsparungen wiederum zu Mehrverbrauch und damit wiederum zu mehr Emissionen. Selbst auf einem Planeten mit konstant bleibendem Konsumniveau wäre es also zu wenig, rein auf Effizienz zu setzen. Die Weltbevölkerung wächst jedoch weiter und viele Länder im globalen Süden schließen immer mehr zum Ressourcenverbrauch des Nordens auf.

Dazu kommt, dass die Wirtschaft im dominanten kapitalistischen System immer weiter wachsen muss, um soziale Krisen zu vermeiden. Leider sind Wachstum und Emissionen eng aneinander gekoppelt. Für eine Entkopplung gibt es nur wenige, zeitlich und räumlich sowie auf bestimmte Indikatoren begrenzte Beispiele, das zeigt etwa eine neue Studie des European Environmental Bureau.

Ziehen wir die Konsequenzen

Nimmt man die oben genannten Punkte ernst, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Gesellschaft wie die österreichische ihren Konsum insgesamt reduzieren muss, wenn sie ihren Beitrag zur Verhinderung des ökologischen Zusammenbruchs leisten will. Das bedeutet aber nicht, dass alle Gesellschaftsschichten in ähnlichem Umfang beitragen müssen. In erster Linie muss massiver Überkonsum eingeschränkt werden. Eine unbequeme Wahrheit ist, dass in Österreich auch Menschen mit für heimische Verhältnisse eher geringen Einkommen im globalen Vergleich auf großem Fuß leben.

Insgesamt wird sich also einiges ändern müssen: Wir werden in Zukunft weniger Fleisch und andere tierische Produkte essen, weniger Individualverkehr nutzen, insgesamt weniger Dinge besitzen. Wir werden weniger Fernreisen machen, unsere Energie sparsamer nutzen und vieles mehr. Alles andere ist aus heutiger Sicht unrealistisch. Die Frage ist eher, wie schnell wir die Wende schaffen und in welchem Zustand wir den Planeten den jungen und noch folgenden Generationen hinterlassen.

Weniger Fleisch zu essen ist für den Klimaschutz unabdingbar.
Foto: Getty Images/iStockphoto/richardschramm

Mit den richtigen Maßnahmen kann uns der Weg zur klimagerechten Welt jedoch in erster Linie ein besseres Leben bringen: Wir könnten in Zukunft mehr Freizeit genießen und weniger sowie selbstbestimmter arbeiten. Durch Veränderungen unserer Wirtschaftsweise, Energieproduktion, Lebensmittelversorgung und von vielem mehr bekommen wir neue Möglichkeiten zur demokratischen Mitbestimmung. Die Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung ökologischer Räume bringt uns wieder mehr in Verbindung mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen. Und weil nicht alle ihre Lebenweise in gleichem Maße ändern müssen, wird auch die Ungleichheit verringert.

Klimaschutz ja, aber ...

Natürlich sagen auch liberale Kommentatoren, sie seien für Klimaschutz. Aber bitte kein "Zwangskorsett" oder neue "Belastungen". Energie dürfe nicht teurer und über die Organisationsform der Wirtschaft nicht diskutiert werden. Fossile Infrastrukturprojekte wie Flughäfen und Autobahnen müssen wir selbstverständlich weiterhin ausbauen. Und das österreichische Kulturgut Schnitzel steht nicht zur Diskussion.

Die Ablehnung jeder noch so kleinen spürbaren Veränderung unserer Lebensweise ist keine Vernunft, sondern vielmehr eine etwas mildere Form der Klimaleugnung. Denn obwohl auch die angesprochenen Kommentatoren selbst gern die Wissenschaft zitieren, ziehen sie aus deren Erkenntnissen keine konsequenten Schlüsse. Das zeugt von einer großen Angst vor dem Verlust vermeintlich unverzichtbarer Annehmlichkeiten. Doch während die Klimakrise sehr wohl zum Fürchten ist, sollten wir vor notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen keine Angst schüren. Erst recht nicht, wenn diese in Wirklichkeit für die allermeisten Menschen und andere Lebewesen sowie letztendlich den Planeten in Wahrheit eine Befreiung bedeuten würden. (Manuel Grebenjak, 19.8.2019)

Manuel Grebenjak studiert Politische Ökologie an der Autonomen Universität Barcelona und ist in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv. Bei verschiedenen Organisationen beschäftigt er sich mit Klimapolitik, sozial-ökologischer Transformation und nachhaltiger Mobilität.

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