Grauhörnchen mit schwarzer Fellfarbe werden in Großbritannien immer öfter gesichtet.
Foto: Philip Meyers

Rotbraun sollten die Hörnchen sein, die bei uns durch die Bäume turnen: Das ist die Fellfarbe des Eurasischen Eichhörnchens (Sciurus vulgaris), das hierzulande natürlicherweise vorkommt. Sein Lebensraum erstreckt sich von den europäischen Atlantikküsten durch die ganze Nordhälfte Asiens bis zu den japanischen Inseln. Seit einiger Zeit wird dieses beeindruckende Verbreitungsgebiet jedoch von Westen her aufgerollt.

Ein klassischer Bioinvasor

Ein naher Verwandter, der ebenfalls zur Gattung der Eichhörnchen zählt, wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Großbritannien eingebürgert und hat sich seitdem enorm ausgebreitet. Das aus Nordamerika stammende Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) ist etwas größer und robuster als sein europäischer Verwandter – ein kleiner Vorteil, der sich aber auf Dauer summiert.

Außerdem haben die amerikanischen Hörnchen ein tödliches Virus eingeschleppt, gegen das sie selbst immun sind, die Eurasischen Eichhörnchen jedoch leider nicht. Das Ergebnis: Vor allem in Großbritannien hat das Grauhörnchen das rote Eichhörnchen in vielen Regionen verdrängt. Auch andere Staaten sind mittlerweile betroffen, etwa Italien. In Österreich ist der Bioinvasor bislang noch nicht eingetroffen.

Die nächste Variante

Inzwischen werden aber auch verstärkt – erneut in Großbritannien – Sichtungen von schwarzen Hörnchen gemeldet. Ist hier ein neuer Player im Spiel? Nein, erklären nun Forscher der britischen Anglia Ruskin University im Fachjournal "BMC Evolutionary Biology". Oder vielleicht besser "Jein": Es handelt sich um Grauhörnchen, die allerdings DNA einer dritten Art in sich tragen.

In der östlichen Hälfte Nordamerikas überschneidet sich der Lebensraum des Grauhörnchens mit dem des noch größeren Fuchshörnchens (Sciurus niger). Auch dieses zählt zu den Eichhörnchen und ist offenbar nahe genug mit dem Grauhörnchen verwandt, dass es zu Paarungen über die Artengrenze kommen kann, aus denen fortpflanzungsfähiger Nachwuchs entsteht.

Wie das konkret abläuft, ist laut den Forschern sogar schon direkt beobachtet worden: Bei Eichhörnchen sei es üblich, dass ganze Horden von Männchen "Jagd" auf ein paarungsbereites Weibchen machen. Und es seien schon gemischte Jagdgesellschaften beobachtet worden.

Bei solchen Tieren hatte die Farbvariante ihren Ursprung: Ein Fuchshörnchen trägt Schwarz.
Foto: Amanda K Ciurej

Fuchshörnchen sind im Normalfall etwas rotstichiger als Grauhörnchen, allerdings gibt es unter ihnen häufig schwarze Exemplare. Verantwortlich ist dafür ein defektes Gen für die Pigmentierung, berichtet das Team um Helen McRobie von der Anglia Ruskin University. Und exakt diesen Gendefekt hat McRobie auch bei den schwarzen Grauhörnchen gefunden, die sich nun in Großbritannien ausbreiten.

Genetische Analysen von Exemplaren beider Spezies aus verschiedenen Regionen Nordamerikas führten die Forscher zum Schluss, dass diese Genvariante ursprünglich beim Fuchshörnchen entstanden ist. Durch natürliche Kreuzungen mit Grauhörnchen sei es anschließend auch bei diesen aufgetreten.

Weit zurückreichende Wurzeln

Die Ausbreitung dieser Genvariante – übertragen von schwarzen Männchen auf normal gefärbte Weibchen – dürfte schon einige Jahrtausende zurückgehen, so die Forscher. Möglicherweise habe sich der Genschaden sogar als Nutzen erwiesen, weil ein schwarzes Fell besser wärmt.

Dass die Tiere nun auch vermehrt auf den Britischen Inseln auftreten, führt die Forscherin auf einen privaten Zoo, der schwarze Hörnchen importiert hatte, zurück. Einige Exemplare entkamen aus diesem Zoo, das erste schwarze Hörnchen wurde bereits 1912 in der Grafschaft Bedfordshire gesichtet. Zu einem Phänomen sind die Tiere aber erst viel später geworden, und mittlerweile im Südosten Englands ein vertrauter Anblick.

Keine Angst vor schwarzen Hörnchen

Auch in Österreich kann man übrigens schwarzen Eichhörnchen begegnen – muss deshalb aber nicht gleich Invasionsalarm schlagen. Die Bandbreite der Fellfarbe unseres Eurasischen Eichhörnchens reicht von hellem Rot bis zu sehr dunklem Braun und fast Schwarz – es handelt sich also mit annähernder Gewissheit um ein einheimisches Hörnchen. Ein genauer Blick kann helfen: Im Winter wachsen unseren Eichhörnchen die typischen Ohrpinsel, die Grauhörnchen fehlen. (jdo, 15. 8. 2019)