Für die FPÖ hat die Postenschacher-Affäre möglicherweise eine größere Brisanz als Ibiza-Gate.

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Das Ibiza-Video ist noch nicht ansatzweise verdaut, da erschüttert die Republik schon die nächste mutmaßliche Korruptionsaffäre. Seit am Dienstag über einen Exklusivbericht des STANDARD bekannt wurde, dass Ermittler Razzien im FPÖ-Umfeld, bei Novomatic und beim Casinos-Austria-Finanzchef durchführten, ist klar: Das Erbe der freiheitlichen Regierungsbeteiligung lastet schwer auf dem Land und dessen Hygiene.

Formal gibt es zwar keinen Zusammenhang zwischen Ibiza-Video und Postenschacher bei den Casinos – die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt in unabhängigen Verfahren. Doch politisch gibt es gleich zwei frappante Bindeglieder: Mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus spielen in beiden Affären zwei (ehemalige) Spitzen der FPÖ die Hauptrolle.

Und in der Finca wie im Kasino spielt ein Konzern eine prominente Rolle, der immer wieder in politisch brisanten Causen auftaucht: Novomatic. Strache hatte schon 2017 – damals noch ohne Regierungsamt – gemeint: "Novomatic zahlt alle." Der größte Glücksspielkonzern hat jegliche Parteienfinanzierung entschieden zurückgewiesen, auch der frühere Vizekanzler distanzierte sich von seinen eigenen Aussagen. Alles nur eine "b'soffene G'schicht".

Neue Ibiza-Sager

Allerdings sind in den Aufnahmen weitere Aussagen enthalten, die die "Süddeutsche Zeitung" erst am Dienstag veröffentlichte: "Wir machen ein Gesetz, wo wir geordnete Spielkasinos zulassen." Zudem wollte demnach Strache das Monopol der Casinos Austria AG (Casag) auflösen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erhebt nun den Vorwurf, dass FPÖ-Granden für die Wünsche der Novomatic nach Lockerung des Glücksspiels empfänglich gewesen seien. Ihre Gegenforderung laut Aktenlage: Ihr neuer Shootingstar Peter Sidlo soll im Gegenzug in den Vorstand der Casag gehievt werden. Der FPÖ-Bezirksrat in Wien-Alsergrund zog im Vorjahr auf einem blauen Ticket bereits in den Generalrat der Nationalbank ein.

Posten gegen Regulierung

Was konkret sollen Strache und Gudenus nun versprochen haben? Einmal erhebt die Staatsanwaltschaft den Vorwurf, Novomatic solle eine Lizenz für Online-Gaming erhalten, über die jetzt ausschließlich die Casag-Tochter Lotterien verfügt. Zweiter Punkt: Nach dem Ende des kleinen Glücksspiels in Wien würden sich die Freiheitlichen dafür einsetzen, dass in der Bundeshauptstadt wieder legal Automaten aufgestellt werden dürfen.

Im Durchsuchungsbeschluss wird das so formuliert: "Johann Gudenus vereinbarte mit Novomatic-Vorstand Harald Neumann, dass Novomatic als FPÖ-Kandidaten Peter Sidlo benennen sollte. In enger Abstimmung mit Heinz-Christian Strache wurde im Gegenzug eine wohlwollende Unterstützung der Novomatic durch die FPÖ ausgemacht. Gegenstand war insbesondere die Erteilung einer 'Casino Lizenz in Wien' und einer 'nationalen Online Gaming Lizenz'".

"Politische Angriffe"

Die genannten Personen und Novomatic weisen die Anschuldigungen entschieden zurück. Die Vorwürfe seien haltlos, so der Tenor. Strache spricht überdies von "politischen Angriffen", mit denen seine Glaubwürdigkeit zerstört werden solle. Für alle Beteiligten gilt selbstredend die Unschuldsvermutung.

Doch unabhängig vom Ausgang des Verfahrens werfen die Vorwürfe ein neues Licht auf Novomatic und deren Beziehungen zur Politik. So gab es bereits im Zusammenspiel mit dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser sehr konkrete Versuche, das Glücksspiel zu liberalisieren und den niederösterreichischen Konzern mit einer Online-Gaming-Lizenz zu versehen. Ein über Nacht eingebrachter Gesetzesentwurf wurde nach heftigen Interventionen des damaligen Casag-Großaktionärs Raiffeisen ad acta gelegt.

Korruptionsausschüsse und Ermittlungen der Justiz förderten zutage, dass dabei der Lobbyist Walter Meischberger einen Auftrag von Novomatic hatte. Das Verfahren wegen Verdachts der Bestechung, Geschenkannahme und Untreue wurde 2017 nach siebenjährigen Ermittlungen eingestellt.

Beste Beziehungen

Wie gut Novomatic mit der Politik verbandelt ist, zeigt auch die Auseinandersetzung wegen Automatenlizenzen in Niederösterreich und Wien. Die damaligen Landeshauptleute Michael Häupl (SPÖ) und Erwin Pröll (ÖVP) machten sich dafür stark, dass der Konzern mit seinen Vorhaben im Wiener Prater und in Bruck an der Leitha zum Zug kommen solle.

Obwohl sich der zuständige Beirat im Finanzministerium gegen Novomatic und für die Konzepte der Casinos Austria ausgesprochen hatte, machte Novomatic das Spiel. Allerdings nur kurzfristig, weil die Vergabe höchstgerichtlich aufgehoben wurde. Das ändert freilich nichts daran, dass der von Johann Graf gegründete Konzern seit langem über beste Trümpfe im Spiel mit der Politik verfügt.

FPÖ angeschlagen

Für die FPÖ hätte die Affäre möglicherweise eine größere Brisanz als Ibiza-Gate, sollten sich die Vorwürfe erhärten. Erstens strafrechtlich, weil die Vorwürfe gegen Gudenus und Strache nun schwerer wiegen, da sie im Unterschied zum Finca-Auftritt ziemlich eindeutig als Amtsträger agierten. Zweitens politisch: Die Freiheitlichen konnten die Videosager bis jetzt als Fehltritt abtun, der mit den Rücktritt der beiden Proponenten ausreichend aufgearbeitet worden sei. Als Oppositionspolitiker hätten sie gar nicht die Möglichkeit gehabt, über Staatsaufträge und andere Bereiche zu entscheiden.

Sollten aber ein Vizekanzler, ein weiteres Regierungsmitglied und ein Klubchef in Korruption verwickelt gewesen sein, hätte der Fall eine ganz andere Dimension. Das dürfte auch bei potenziellen Koalitionspartnern ankommen. Selbst wenn die FPÖ nun betont, dass keine Parteispitzen in der Causa eine Rolle spielen. Vorerst bleibt es aber dabei: Es handelt sich derzeit um unbewiesene Bestechungsvorwürfe. (Andreas Schnauder, 14.8.2019)