Parteihochschule der Kommunistischen Partei Chinas.

Foto: Johnny Erling

Rund 60 Zuhörer füllen den Vortragssaal im vierten Stock der Parteihochschule. Der Referent spricht über die Gedanken von Parteichef Xi Jinping zum neuen sozialistischen Zeitalter der ökologischen Zivilisation. Xi, referiert er, verlange von ihnen, den Zuhörern, in ihrer Arbeit Natur und Entwicklung des Landes miteinander auszusöhnen. Vor wenigen Jahren schlug die KP noch andere Töne an: "Der sozialistische Mensch besiegt die Natur." China müsse für seine schnelle Indus trialisierung keine Rücksicht auf die Umwelt nehmen.

Bei der Vorlesung sind Fragen aus dem Publikum nicht erlaubt. Schon gar nicht von jenen Korrespondenten aus dem Westen, die die Parteihochschule erstmals eingeladen hat. "Wir wollen mehr Transparenz und Öffnung zeigen", begrüßte einer der Direktoren die Journalisten. Der Dozent hat sich auf die Gäste vorbereitet. In seine Powerpoint-Präsentation lässt er englischsprachige Begriffe einfließen. Er preist deutsche und japanische Methoden zur Abwasserreinigung oder zur Ökorenovierung von Gebäuden. Er lobt auch chinesische Provinzen wie Shandong, die mit Grasdächern oder Gewächshäusern ohne Plastikfolien neues Umweltbewusstsein zeigen.

Ausgangssperre für die Elite

Die Zuhörer sind zwischen 40 und 50 Jahre alt. Auffallend wenige machen sich Notizen. Im Alltag befehligen sie als Parteisekretäre Ministerien, Stadtverwaltungen oder Staatskonzerne. In der Pekinger Dangxiao, wie die Parteihochschule auf Chinesisch heißt, müssen sie wieder die Schulbank drücken. Das haben die Organisationsabteilungen der KP so angeordnet. Manche Schulungen dauern nur eine Woche, andere bis zu vier Monate. Alle Teilnehmer wohnen wie in einem Eliteinternat in Einzelapartments, sie stehen um 6.30 Uhr früh auf und müssen ab 23 Uhr auf ihren Zimmern sein.

Die Parteihochschule liegt im Westen der Hauptstadt in der Nähe des imperialen Sommerpalasts.
Foto: Johnny Erling

Die direkt dem Zentralkomitee unterstehende Dangxiao ist die ranghöchste Kaderschmiede in der Hierarchie von fast 2900 Parteischulen, die die KP bis hinunter in die Landkreise Chinas für alle Funktionäre eingerichtet hat. Wer in der Partei der 90 Millionen Mitglieder aufsteigen soll, muss turnusmäßig die Schulungen absolvieren. Sie dienen Chinas höchsten Führern als wichtiges Instrument zur ideologischen Kontrolle des Apparats.

Pekings Dangxiao war einst so geheimnisumwoben, dass keine Straßenkarte ihren Standort anzeigte. Heute weiß man mehr: Die Parteihochschule liegt im Westen der Hauptstadt in der Nähe des imperialen Sommerpalasts. Auf dem Lehrplan für die 1600 Funktionäre, die derzeit an der Schule lernen, stehen Grundwerke des Marxismus. Am wichtigsten sind aber die Schulungen über Xi Jinpings Ansichten zur neuen Ära des Sozialismus seit dem 19. Parteitag 2017. Xi hat dort nicht nur seine zeitlich unbegrenzte Herrschaft über die Partei in die KP-Statuten schreiben lassen. Er hat auch seinen Anspruch verankert, ihr ideologischer Vordenker zu sein.

Ehrgeizige Ziele

Xi leitete die Parteihochschule als Direktor von 2007 bis Ende 2012, bevor er zum KP-Chef Chinas aufstieg. Seither hat er die Dangxiao zur Schule seines Denkens umfunktioniert. 2015 hatte er bereits der Parteihochschule ins Stammbuch geschrieben: "In ihrem Namen steckt das Wort Partei. Sie muss sich in ihrer Lehre auch danach richten."

Das passt gar nicht zu den ehrgeizig formulierten Zielen der Parteihochschule, in den kommenden fünf Jahren "zur besten Denkfabrik der Welt für wissenschaftliche Planung" werden zu wollen. Im Gespräch mit den Journalisten kann Vizedirektor Wang den Widerspruch nicht auflösen. "Wir diskutieren auch über heikle Themen", behauptet er und benennt die Kulturrevolution oder wie es zu den Ereignissen des 4. Juni 1989 kam, der im Westen als Tiananmen-Massaker bekannt wurde. Gleichzeitig schränkt er ein: Was dazu gesagt werde, dürfe weder den Marxismus-Leninismus noch die absolute Führung der Partei infrage stellen.

Parteihochschule der Kommunistischen Partei Chinas.
Foto: Johnny Erling

Vor einem Jahrzehnt ging es noch freier zu. 2010 wurde die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Parteihochschule eingeladen. Merkel diskutierte mit den Absolventen kontrovers, ob die Großmacht China mehr internationale Verantwortung übernehmen müsse – besonders in Sachen Klimawandel. Peking weigerte sich damals, an dessen Bekämpfung teilzunehmen, und ließ in Folge den Gipfel in Kopenhagen scheitern. Heute sieht sich China als Vorreiter für eine aktive Klimapolitik, während die USA unter Präsident Donald Trump aus dem Pariser Vertrag ausstiegen.

Debatten und Witze

In der damals liberaleren Atmosphäre gaben einander dutzende internationale Politiker die Klinke in die Hand, von Donald Rumsfeld bis zu Henry Kissinger. Sie regten mit ihren Vorträgen offenherzige Debatten an, sogar Witze wurden damals toleriert.

Nach ihrer Zusammenlegung mit der Verwaltungsakademie der Partei vor zwei Jahren stieg die Bedeutung der Parteihochschule weiter. Ihr Gelände umfasst heute 100 Hektar mit vier Wohnbezirken, Sportanlagen und einem eigenen See. Die 2300 Einzelwohnungen sind mit Bad, Fernseher, Klimaanlage und modernen Aquarellen eingerichtet. Für die sechs Restaurants gibt es unterschiedliche Zugangsberechtigungen – je nach parteiinterner Ranghöhe der Funktionäre.

Xis verschärfte ideologische Anforderungen an die Absolventen, dem kommunistischen Ideal treu ergeben zu bleiben, verkörpern neun gigantische Denkmäler auf dem Gelände. Im September 2015 wurde eine 4,5 Meter hohe Granitskulptur errichtet, die Karl Marx und Friedrich Engels darstellt. Sie heißt Die Kampfgefährten. Neben Statuen für Mao Tse-tung und einer riesigen roten Fahne verewigt eine Bronzefigur den 1964 verstorbenen Kreis-Parteisekretär Jiao Yulu. Xi hat ihn zum Vorbild für alle Parteimitglieder gemacht, weil er sich mit Leib und Seele dem Kommunismus verschrieben hatte.

Kein echtes KP-Mitglied dürfe heute meinen, so schrieb Xi einmal, dass "Kommunismus ein imaginäres Wolkenkuckucksheim ist, nur weil seine Verwirklichung so lange dauert. Generationen um Generationen müssen dafür kämpfen."

So belebt Chinas Parteihochschule im 21. Jahrhundert die alten Heilsversprechen von gestern – statt nach neuen Lösungen für das neue Jahrtausend zu suchen. (Johnny Erling, 14.9.2019)