Schon die ersten Tage im Bergdorf beweisen: Das diesjährige Forum Alpbach steht ganz im Zeichen der Klimakrise, denn eine Alternative gibt es nicht. Das Europäische Forum Alpbach 2019 will – laut Selbstbeschreibung – "nicht nur aktuelle Entwicklungen, deren Ursachen und die treibenden Kräfte dahinter analysieren, sondern auch neue Perspektiven und Orientierungen aufzeigen." Wenn das Forum diese Zielsetzung ernst nehmen will, führt kein Weg an der Beschäftigung mit der Klimakrise vorbei, die zweifelsohne die größte Herausforderung der Menschheit darstellt.

Wie aus dem kürzlich erschienenen Bericht des Weltklimarats und der dramatischen Darstellung der Auswirkungen der Klimakrise im Buch "Losing Earth" von Nathaniel Rich hervorgeht, steht der Planet in Flammen und die Zeit etwas dagegen zu unternehmen, geht uns aus.

Die Krise trifft alle

In der Seminarwoche am diesjährigen Forum wird zu "Wassersicherheit für Mensch und Natur" unterrichtet und gemeinsam über die "Chancen und Risiken von Urbanisierung" nachgedacht beziehungsweise ganz konkret gefragt "Wie gelingt der Übergang zu einer Low-Carbon-Gesellschaft?

Die Fotoausstellung "Alpbach 2119" des in Wien ansässigen Design-Studio buero butter zeigt in eindrucksvollen Bildern, wie sich das weit über die Grenzen Tirols und Österreichs bekannte Bergdorf in 100 Jahren verändern könnte, wenn nicht so schnell wie möglich Maßnahmen gegen die Klimakrise ergriffen werden. Ehemals grüne Berghänge sind verdorrt, Infrastrukturausbau hat die Alpendorf-Romantik verdrängt und Monokulturen dominieren die Landwirtschaft. "Entscheidungen und Taten" fordert auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Vorwort zur Projekt-Broschüre, "nicht irgendwann, nicht irgendwo, nicht morgen, sondern hier und jetzt."

Foto: Christoph Liebentritt/buero butter
Foto: Christoph Liebentritt/buero butter
Foto: Christoph Liebentritt/buero butter

Nicht jeder hat die Freiheit, sich nicht mit den Auswirkungen der Klimakrise beschäftigen zu müssen. In Sicherheit wiegen können sich nur jene mit enormen sozio-ökonomischen und regionalen Privilegien: Während die wohlhabenden Menschen Europas in klimatisierten Bauten unterkommen und Nahrungsmittelsicherheit für gegeben annehmen, erfahren arme Menschen im globalen Süden Hungersnöte und Überschwemmungen. Als Klimaflüchtlinge zur Aufgabe ihres Wohnorts gezwungen, machen sie sich auf den Weg nach Europa. Oft enden sie dabei in Internierungslagern oder ertrinken – dem Wunsch nach einem besseren Leben folgend – im Mittelmeer.  

Immer mehr werden die Auswirkungen der Klimakrise auch bei uns spürbar: Während die Städte immer heißer werden und Bauern und Bäuerinnen sich mit drastischen Ernteausfällen konfrontiert sehen, glaubt die wahlkämpfende Politik in Wasserstoff-Autos die Antwort auf viel größere Probleme gefunden zu haben. Diskussionen rund um Fleischkonsum und privaten Flugverkehr werden oft klassistisch und anhand von Beschämungsmustern geführt, individuelle Konsumentscheidungen scheinen Problem und Lösungsansatz zugleich zu sein. Doch auch strukturelle Kritik und Rufe nach dringend notwendigen Klimasteuern, der Ausrufung des Klimanotstands beziehungsweise einem Umdenken und Umstrukturieren unseres Wirtschaftssystems finden immer mehr Gehör.

Kein Planet B

Die Fridays-for-Future-Bewegung, die IG-Wien Präsident Johannes Stangl gemeinsam mit Klima-Volksbegehren-Sprecherin Katharina Rogenhofer nach der UN-Klimakonferenz in Katowice im Dezember 2018 auch nach Österreich geholt hat, macht auch vor dem pittoresken Bergdorf nicht halt. Wie jeden Freitag in vielen Orten unseres Landes bahnte sich vergangenen Freitag auch in Alpbach ein Demozug seinen Weg – von der Hauptschule, in der die Seminare abgehalten werden, vorbei an vor Blumen strotzenden Bauernhäusern, hinauf ins moderne Kongresszentrum, während Greta Thunberg gerade klimaneutral mit einem Segelschiff auf dem Weg nach Amerika ist. Franz Fischler, Präsident des Europäischen Forums Alpbach, und Universitätsprofessor Gottfried Kirchengast von der Universität Graz sind ganz vorne mit dabei. Auch sie wissen, wie es auf einem der vielen bunten Plakate zu lesen ist, "There is no Planet B."

Fridays-for-Future-Klimademo am Europäischen Forum Alpach 2019.
Foto: Philipp Eisingerich
"Systemwandel statt Klimawandel".
Foto: Philipp Eisingerich
Die Klimademonstrantion bahnt sich ihren Weg durch Alpbach.
Foto: Philipp Eisingerich
Forderung nach der Ausrufung des Klimanotstands.
Foto: Philipp Eisingerich

Kirchengast, Leiter des Wegener Centers für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz, stimmt den Forderungen der freudvoll, aber immer auf Basis wissenschaftlicher Faktenlage rebellierenden Fridays-for-Future-Bewegung zu und sagt: "Das Aufbegehren der jungen Menschen ist ein enorm wichtiger Beitrag, um uns aus der fossilen Gefangenschaft zu befreien." Uns allen ist zu wünschen, dass diese Fesseln noch rechtzeitig gesprengt werden. (Elisabeth Lechner, 20.8.2019)