In Salzburg endlich wieder an den Tasten: Martha Argerich.

Foto: Adriano Heitman

Man könnte natürlich behaupten, der Salzburger Intendant Markus Hinterhäuser schätzt den nostalgischen Sprung in die lebendige Historie. Was die inszenierenden Advokaten seines Opernkonzeptes anbelangt, lassen sich dafür Argumente finden. Bei Daniel Barenboim jedoch würde die Mutmaßung ins Leere laufen.

Der vielbeschäftigte Dirigent und Pianist ist in Salzburg regelmäßig auch mit seinem West -Eastern Divan Orchestra zu Gast – welcher Intendant auch immer gerade am Ruder ist.

Einst mit seinem verstorbenen Freund Edward Said als eine Art kommunikatives Erlebnisprojekt im Sinne gegenseitiger Verständigung gegründet, hängt der Charme des Orchesters natürlich vor allem an der qualitätsvollen Umsetzung von Musik. Und Barenboim ist da ein Garant für hohe emotionale Dichte.

Flach gestartet, aber warm geworden

Schuberts Siebente war zwar etwas flach gestartet. Das Orchester, dessen Konzertmeister Barenboims Sohn Michael ist, überzeugt dann aber durch warmen Klang und einen kantigen Zugriff im Dramatischen. Das hatte eine Intensität, die sich auch bei Luto slawskis Konzert für Orchester differenziert entfaltete.

Das Werk der klassischen Moderne pendelt zwischen tonaler Freundlichkeit, opulenten Bläserfluten und zupackende Phrasierung fordernden Streichermomenten; und im Finale wirkt die Anlage fast bolerohaft. Ein rätselhaftes, bisweilen etwas unbestimmt wirkendes Werk, dessen Kontraste das Orchester plastisch und effektvoll vermittelte.

Abenteuerlich speziell

Im Großen Festspielhaus taucht Barenboim aber auch in die Romantik ein, die mit ihm seine alte Freundin und Pianistin Martha Argerich in Form von Tschaikowskis erstem Klavierkonzert durchwandert. Das ist abenteuerlich in jeder Hinsicht: Immer wieder tauchen aus dem teils etwas vernebelt klingenden Dickicht der Klavierstrukturen Momente spezieller Charakteristik auf. Da ruppige Akzente, dort überraschend poetische Zeichen. Sehr speziell und auch sehr gefeiert das Ganze.

Abseits des virtuosen Grenzgangs gab’s als Zugabe denn auch vierhändig Franz Schuberts Rondo in A-Dur. Argerich und Barenboim liefern da Augenblicke spieldosenartiger Friedfertigkeit, wobei das scheinbar Simple in seiner Tiefe delikat ausgelotet wurde. Es war nun gelöstes, uneitles Musizieren mit Gefühl für motivische Zusammenhänge und deren zarten Charakter. (toš, 15.8.2019)