Der Schatten des Islamismus liegt auf dem von BVT-Chef Peter Gridling präsentierten Bericht.

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Wien – Für Österreich geht die größte Bedrohung unverändert vom islamistischen Extremismus und Terrorismus aus", lautet der erste Satz des entsprechenden Kapitels im Verfassungsschutzbericht 2018, der vom Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Franz Lang, und Peter Gridling, dem Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) am Mittwoch präsentiert wurde.

Zur selben Zeit, als das Duo im Festsaal des Innenministeriums über die Gefahren durch Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus Kriegsgebieten wie Syrien und dem Irak spricht, kann man ein paar Hundert Meter entfernt im Saal 101 des Landesgerichts für Strafsachen sehen, welche Menschen es sind, die wegen terroristischer Delikte vor Gericht sitzen.

Tschetschene im Ali-Shirt

Abu D. ist 19 Jahre alt, schlaksig, trägt eine dicke Brille und ein T-Shirt, auf dem das berühmte Bild des Islamkonvertiten Muhammad Ali zu sehen ist, wie er nach dem "Phantom Punch" über seinen Gegner Sonny Liston gebeugt steht. Mit vier Jahren ist der unbescholtene D. aus Tschetschenien nach Österreich gekommen, nach Abschluss der Abendschule will er Informatik studieren, erzählt er Daniela Zwangsleitner, der Vorsitzenden des Schöffengerichts.

Staatsanwältin Viktoria Berente wirft dem Angeklagten vor, von Anfang 2017 bis zu seiner Festnahme im November 2018 die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) unterstützt zu haben, indem er in Chats und Nachrichten dafür Propaganda machte, Videos und Lieder versandte. Auf seinem Mobiltelefon wurden insgesamt 11.000 einschlägige Dateien gefunden – Videos von Hinrichtungen, heroisierende Darstellungen von Kämpfern, eine Anleitung zum Bombenbau.

"Bei den Modi Operandi der jüngsten Vergangenheit standen vor allem die Verwendung von Messern, Schusswaffen und Kraftfahrzeugen als Tatmittel im Vordergrund. Diese Form der Bedrohung geht hauptsächlich von radikalisierten Einzelaktivisten und potenziellen Nachahmungstätern aus, die durch die IS-Ideologie inspiriert und durch jihadistische Aufrufe in sozialen Medien motiviert wurden", findet sich im Verfassungsschutzbericht dazu.

Angebliche Pläne wegen "Witzelsucht"

Ist auch D. ein solcher Gefährder? Nein, sagt er mit leiser Stimme und bekennt sich nicht schuldig. Er habe mit 16 begonnen, sich für Religion zu interessieren, aber über die Taten des IS "war ich entsetzt bis zum Gehtnichtmehr", beteuert der Teenager. Warum er unter drei falschen Namen im Internet aktiv war, versucht er mit zwei Ansätzen zu erklären. Einerseits habe er "die Reaktion" der Empfänger testen wollen. Andererseits habe ihn seine "Witzelsucht" dazu gebracht, Attentatspläne zu wälzen, das habe er aber nie ernst gemeint.

Staatsanwältin Berente hält ihm vor, dass er dafür schon recht konkret war: So argumentierte er, dass man keine Zivilisten, sondern staatliches Personal töten und versuchen sollte, nach einem Anschlag unerkannt zu entkommen. Verteidigerin Jennifer Kaufmann sieht die ganze Sache eher als Beispiel für jugendliche Rebellion und den Versuch, Mädchen zu beeindrucken.

Unterschätztes Terrorproblem bei Frauen

Zu den weiblichen Foreign Fighters gibt es im Verfassungsschutzbericht ein eigenes Kapitel: Mehr als 40 weibliche Personen seien bis Ende 2018 in die Krisengebiete gereist, 20 konnten noch in Österreich abgefangen werden. Insgesamt sei die Rolle der Frauen im Terrorismus bisher unterschätzt worden.

Im Prozess gegen D. stehen zwei Frauen als Zeuginnen auf der Liste. Die eine ist seine Freundin, die andere eine 17-jährige Chatpartnerin, deren Verfahren eingestellt worden ist. Sie berichtet in breitem Oberösterreichisch, dass sie das Geheimwort "David" für den IS verwendet habe, mittlerweile aber in einer Therapie sei und der Gewalt abgeschworen habe. "Es war für mich auch eine schwere Zeit damals", resümiert sie.

Da sich der Hauptbelastungszeuge einer Operation unterzieht, vertagt die Richterin auf September, D. bleibt in U-Haft. (Michael Möseneder, 15.8.2019)