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Im Glauben, alles spielend schaffen zu können, versucht Salvini nun, den Job des ihm von Staatspräsident Sergio Mattarella vorgesetzten parteilosen Regierungschefs Giuseppe Conte (im Bild) zu kapern, kommentiert Gianluca Wallisch.

Foto: AP / Antonio Calanni

Matteo Salvini wäre gut beraten, sich mit den Dynamiken der jüngeren italienischen Polithistorie zu beschäftigen. Er würde sehen, dass der Grat zwischen Triumph und Niederlage, zwischen Hochgefühl und Verzweiflung sehr, sehr schmal sein kann.

Da ist etwa Matteo Renzi, von 2014 bis 2016 Ministerpräsident Italiens. Mit nur 39 Jahren trat der Sozialdemokrat damals das Amt an, um den Missständen aus jahrzehntelanger politischer Verlotterung ein Ende zu bereiten. "Rottamatore" nannten sie ihn: den Verschrotter.

Und ja, er räumte auf: Nur wenige Monate nach Renzis Vereidigung erreichte der Partito Democratico bei den Europawahlen 41 Prozent, ein Plus von fast 15 Punkten. Es war sonnenklar: Das ist das neue Italien, das Berlusconi, Bunga Bunga und Korruption hinter sich gelassen hat. Doch kaum zweieinhalb Jahre später war Renzi am Ende: In maßloser Selbstüberschätzung hatte er ein Referendum über eine umstrittene Verfassungsreform zum Plebiszit über seine Person gemacht – und ging damit unter.

Auch Vornamensvetter Matteo Salvini scheint nichts und niemand aufhalten zu können. 2013 übernahm er die nach einem Finanzskandal auf dem Boden liegende rechtspopulistische Lega. Innerhalb von nur fünf Jahren hievte er sie von vier auf 17 Prozent und machte sie zum Regierungspartner der Fünf-Sterne-Bewegung. Der Höhenflug geht weiter: Heute liegt Innenminister Salvini in Umfragen bei knapp 40 Prozent. "La Ruspa" (Bulldozer), wie der Innenminister – hier liebevoll, dort verächtlich – genannt wird, macht alles platt, was sich ihm in den Weg stellt. Seien es Migranten oder das EU-Budget, ganz egal.

Doch vielleicht erlebt Salvini in diesem Moment dasselbe wie Renzi 2016: Im Glauben, alles spielend schaffen zu können, versucht der Chef der Lega nun, Neuwahlen vom Zaun zu brechen und den Job des ihm von Staatspräsident Sergio Mattarella vorgesetzten parteilosen Regierungschefs Giuseppe Conte zu kapern.

Doch möglicherweise hat sich Salvini damit in eine Sackgasse manövriert: Bloß sensationelle Umfragewerte reichen nicht aus, um auf fünf Jahre gewählte Mehrheiten im Parlament einfach so über Bord werfen zu können. Plötzlich ist er da, der parlamentarische Widerstand gegen den Bulldozer; plötzlich sind sie zu hören, die Pfiffe bei den Auftritten an den Stränden Italiens. Renzi missachtete seinerzeit die Signale – auch Salvini hört nicht hin. (Gianluca Wallisch, 15.8.2019)