Der Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Peter Gridling, präsentierte am Mittwoch den Verfassungsschutzbericht 2018.

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Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes", schrieb im Jahr 1844 ein gewisser Karl Marx. 175 Jahre später liest man im Verfassungsschutzbericht 2018, dass "die größte Bedrohung" für Österreichs Sicherheit "unverändert vom islamistischen Extremismus und Terrorismus" ausgehe – also einer religiös begründeten Ideologie.

Nun muss man sagen, dass das im Papier beschriebene Risiko recht vage bleibt. Es findet sich kein Hinweis, dass es im Vorjahr in Österreich tatsächlich einen islamistisch motivierten Anschlag gegeben hätte – im Gegensatz zu 1075 registrierten rechtsextremen Tathandlungen. Unterschätzen darf man die Gefahr natürlich nicht. Fast hundert Menschen sind bisher aus Gebieten in Syrien und dem Irak zurückgekehrt, wo sie den "Islamischen Staat" in der einen oder anderen Weise unterstützt haben. Einige von ihnen wird die Realität in den von den fundamentalistischen Terroristen verwalteten Gebieten ernüchtert haben. Doch andere könnten durch die militärische Niederlage erst recht in ihrem Hass auf "die Ungläubigen" angestachelt werden.

Propaganda im Internet

Tatsächlich drehen sich die Terrorprozesse, mit denen sich heimische Strafgerichte beschäftigen, eher um einschlägige Propaganda im Internet. Gerade bei diesen meist jungen Angeklagten ist es für die Justiz aber schwierig, die richtige Balance zu finden. Der typische Teenager wacht nämlich nicht eines Morgens auf und beschließt, für einen Gott Unschuldige zu töten. Die Sache ist ein schleichender Prozess, die Ursache ist meist eine Mixtur aus den unterschiedlichsten Komponenten: pubertäre Orientierungslosigkeit, aus der einen ein charismatischer Führer zu erlösen verspricht; tatsächliche oder vermeintliche Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft; Wut über mangelnde sozioökonomische Möglichkeiten.

Wenn nun, wie aktuell von der ÖVP, neue und schärfere Gesetze gefordert werden, ist das auch nichts anderes, als der Bevölkerung eine Opiumpfeife in die Hand zu drücken. Tatsächlich findet sich im Verfassungsschutzbericht sogar ein eigenes Fachkapitel zur Extremismusprävention und Deradikalisierung. Conclusio: Die Expertinnen und Experten müssen auf den Einzelfall eingehen können, und das Angebot muss ausgebaut werden. Kostet zwar mehr als ein neues Gesetz, ist aber garantiert effektiver. (Michael Möseneder, 15.8.2019)