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Immer wieder dürfen Menschen, die auf medizinische Hilfe angewiesen sind, das Rettungsschiff Open Arms verlassen.

Foto: AP/Francisco Gentico

Rom – Zwar haben sich mehrere EU-Staaten darauf geeinigt, die geflüchteten Migranten des Rettungsschiffs Open Arms aufzunehmen. Doch bisher hat kein EU-Land offizielle Schritte zur Aufnahme der Migranten an Bord des spanischen Rettungsschiffes "Open Arms" unternommen, verlautete das italienische Innenministerium

Das Warten auf hoher See für die Crew und 134 Geflüchtete geht vorerst weiter. Am Donnerstagabend und in der Nacht auf Freitag durften insgesamt 13 Menschen das Schiff verlassen und auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa an Land gehen.

Bei den neun Geflüchteten, die bereits am Donnerstagabend von Bord gingen, handelte es sich um sechs Frauen und drei Männer aus Eritrea und Somalia. Der spanischen NGO Proactiva Open Arms zufolge brauchten alle dringend ärztliche Hilfe. Fünf hätten mit psychischen Problemen zu kämpfen. Auch jene vier, die in der Nacht das Schiff verlassen konnten, seien auf ärztliche Hilfe angewiesen gewesen.

"Alle Personen an Bord müssen dringend evakuiert werden. Die Menschlichkeit erfordert dies", schrieb Proactiva Open Arms. Der Rest der Migranten darf allerdings immer noch nicht an Land gehen. Die Menschen sind zum Teil seit zwei Wochen an Bord des Schiffs.

"Es ist die fünfte Notevakuierung binnen 14 Tagen", twitterte Proactiva Open Arms. "Worauf warten sie, um allen Menschen zu erlauben, das Schiff zu verlassen – dass die medizinische Notlage unerträglich wird? Was für eine Grausamkeit." Schon zuvor hatte die Hilfsorganisation vor Spannungen an Bord des überfüllten Schiffes gewarnt, das nur 180 Quadratmeter Platz bietet und wo sich mehr als 130 traumatisierte Menschen zwei Waschräume teilen müssen.

Sechs EU-Staaten nehmen Geflüchtete auf

Sechs EU-Staaten sind nach Angaben der italienischen Regierung bereit, die Migranten aufzunehmen. Deutschland, Frankreich, Rumänien, Portugal, Spanien und Luxemburg hätten sich bereiterklärt, einige der auf dem Schiff ausharrenden Menschen aufzunehmen, gab Ministerpräsident Giuseppe Conte am Donnerstag bekannt.

Noch am Donnerstagmittag beklagten Ärzte des italienischen Malteserordens, die an Bord gegangen waren, die schlechten hygienischen Zustände. Mehrere Migranten wiesen wegen schlecht behandelter Wunden Infektionen auf, berichteten die Ärzte laut italienischen Medien.

An Bord der Ocean Viking ist der Platz knapp.
Foto: APA/AFP/ANNE CHAON

356 Menschen an Bord der Ocean Viking

Auch die Ocean Viking, das Rettungsschiff von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen, befindet sich zwischen maltesischen und italienischen Gewässern in Warteposition. An Bord: 356 Gerettete, wobei mehr als ein Viertel minderjährig – also unter 17 Jahren – sind.

Es sei bereits eng auf dem Schiff, sagt der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen, Jay Berger, zum STANDARD: "Untertags ist die Platzsituation noch halbwegs in Ordnung, weil die Leute stehen oder sitzen, aber am Abend fällt es schwer, genug Platz für jeden zu finden, damit er schlafen kann." Die Ocean Viking sei für Rettungen und die erste Zeit danach geeignet. Aber nicht, wenn es darum gehe, Menschen mehrere Tage zu beherbergen.

"Es ist Zeit, dass die EU-Staaten eine koordinierte Vorgehensweise beschließen, damit den Menschen die Würde gegeben wird, die sie verdienen", sagt der Einsatzleiter. Die Menschen an Bord würden von schweren körperlichen und psychischen Misshandlungen in Libyen berichten. Das medizinische Personal versorge Wunden, die durch Strom oder heißes Plastik verursacht wurden. Viele berichten von Vergewaltigungen.

Merkel fordert staatlich organisierte Seenotrettung

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel plädiert für eine Wiederaufnahme der staatlich organisierten Seenotrettung im Mittelmeer. "Sicherlich wäre es gut, wir hätten auch heute wieder eine Mission Sophia und staatliche Schiffe, die retten würden", sagte Merkel am Donnerstagabend.

Im Rahmen des Seenotrettungseinsatzes Sophia waren seit 2015 zehntausende Migranten aus dem Mittelmeer gerettet worden. Vor einigen Monaten wurde der Einsatz eingestellt, dem Italien heftigen Widerstand entgegenbrachte. Deutschland hatte sich für eine Fortsetzung der Seenotrettung starkgemacht.

Italiens Regierung streitet

Im Tauziehen um die Landung der Migranten warnt die rechte Regierungspartei Lega vor einer "Strategie", um Italien zu zwingen, seine Häfen wieder zu öffnen. "Wir werden mit allen erdenklichen Mitteln eine neue Migranteninvasion verhindern", twitterte Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini.

Salvini ist bei seinem harten Kurs zunehmend mit Widerstand konfrontiert. Der parteilose Ministerpräsident Giuseppe Conte warf ihm am Donnerstag Illoyalität vor. Salvini sei besessen davon, Einwanderung zu unterbinden, schrieb Conte in einem offenen Brief. Er selbst habe sechs EU-Staaten davon überzeugt, die Migranten aufzunehmen.

Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta (Fünf-Sterne-Bewegung) hatte sich zuvor geweigert, eine Anordnung Salvinis gegenzuzeichnen, mit der dieser das Einlaufen der Open Arms in den Hafen von Lampedusa verhindern wollte. Sie habe ihre Entscheidung auf der Basis "solider rechtlicher Gründe" getroffen und dabei auf ihr Gewissen gehört, erklärte die Ministerin. Auch der ebenfalls zur Fünf-Sterne-Bewegung gehörende Verkehrsminister Danilo Toninelli, der für die Häfen zuständig ist, weigerte sich, Salvinis Anordnung gegenzuzeichnen.

Gericht erlaubt Einfahrt in italienische Gewässer

Zeitweise hatten die Seenotretter von Open Arms 160 Migranten an Bord, einige von ihnen wurden unter anderem aus gesundheitlichen Gründen schon frühzeitig nach Malta und Italien gebracht. Salvini hatte dem Schiff die Einfahrt in die Territorialgewässer des Landes verboten. Nach Angaben von Open-Arms-Gründer Oscar Camps hatte die Organisation dagegen beim Verwaltungsgericht Einspruch eingelegt, das daraufhin die Einfahrt in die Gewässer genehmigte. (red, APA, 16.8.2019)