Das kleinzellige Lungenkarzinom betrifft fast ausschließlich schwere Raucher.

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Wien/Wels – Erstmals wurde mit Immuntherapie in einer klinischen Studie eine Verlängerung der Lebenserwartung bei Patienten mit fortgeschrittenem kleinzelligen Lungenkarzinom erzielt. Nun steht diese Therapie vor der formellen Zulassung in der EU, erklärten die beiden österreichischen Lungenkrebsspezialisten Maximilian Hochmair vom KH-Nord Wien und Rainer Kolb vom Klinikum Wels-Grieskirchen in Oberösterreich.

Das ist beim kleinzelligen Lungenkarzinom in der medikamentösen Therapie im Stadium IV der erste Fortschritt seit 30 Jahren. Die Patienten sind typischerweise schwere Raucher, die zunächst gut auf die Therapie ansprechen, aber recht schnell einen Rückfall erleiden. "Sie haben im Laufe der Erkrankung oft schwere Symptome", stellte Hochmair die Problematik dar.

Kolb ergänzte dazu: "Das Problem beim kleinzelligen Lungenkarzinom liegt darin, dass es sich um eine sehr aggressive Krebserkrankung handelt. Die Tumore wachsen extrem schnell. Wir sehen fast alle Patienten erst in einem fortgeschrittenen und inoperablen Stadium der Erkrankung. Diese Lungenkarzinome treten praktisch nur bei Rauchern auf. Nach einem zunächst guten Ansprechen auf eine Chemotherapie kommt es zumeist schon nach vier bis fünf Monaten zu einem Rückfall." Insgesamt geht man davon aus, dass etwa 15 Prozent der Lungenkarzinome auf den Typ der "Kleinzeller" entfallen. Charakteristisch ist das Auftreten des Tumors in zentralen Teilen der Bronchien, eben dem direkten ersten Wirkungsort des Tabakrauchs in der Lunge.

Zwei Monate länger überleben

Bei der Welt-Lungenkrebskonferenz Ende September 2018 und zeitgleich im "New England Journal of Medicine" wurden die Ergebnisse der sogenannten IMpower133-Untersuchung zum kleinzelligen Lungenkarzinom vorgestellt. An ihr hatte auch Hochmair als Co-Autor mitgearbeitet. Dabei zeigte sich erstmals, dass Patienten von einer zusätzlichen Immuntherapie mit dem Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab zur etablierten Chemotherapie profitierten.

201 Patienten im fortgeschrittenen Stadium IV der Erkrankung wurden mit der herkömmlichen Chemotherapie (Carboplatin und Etoposide) behandelt und erhielten zusätzlich noch das Immuntherapeutikum (PD-L1-Inhibitor). In der Placebo-Gruppe mit 202 Patienten erfolgte die Therapie ausschließlich mit den Chemotherapeutika. Nach einem medianen (50 Prozent darüber, 50 Prozent darunter) Beobachtungszeitraum von 13,9 Monaten betrug die durchschnittliche Überlebenszeit der Patienten mit zusätzlicher Immuntherapie 12,3 Monate, in der Placebo-Gruppe 10,2 Monate. Der Unterschied war statistisch signifikant.

"Diese zwei Monate Unterschied klingen nicht besonders viel. Aber erstmals haben wir damit bei dieser Erkrankung wirklich einen Fortschritt erzielt", betonten die beiden Experten. Neben der Chemotherapie hätte nur eine Ganzhirn-Bestrahlung zur Verhinderung der beim kleinzelligen Lungenkarzinom oft auftretenden Gehirnmetastasen einen zusätzlich positiven Effekt gezeigt. Im Rahmen der klinischen Studie, an der auch vier österreichische Krankenhausabteilungen beteiligt gewesen waren, konnte erstmals bei den Patienten mit kleinzelligem Lungenkarzinom eine durchschnittliche Lebenserwartung von mehr als einem Jahr erreicht werden.

Immer mehr Frauen betroffen

"An sich könnte man diese Immuntherapie beim kleinzelligen Lungenkarzinom auch mit einer Strahlentherapie kombinieren, um die Wirkung zu erhöhen. Das muss aber erst untersucht werden", sagte der oberösterreichische Pneumologe Rainer Kolb. Insgesamt zeige die jüngste Entwicklung beim Lungenkarzinom auch ganz generell positive Aspekte. "Wir hatten früher Fünf-Jahres-Überlebensraten von null bis fünf Prozent. Wenn wir jetzt auf 20 Prozent kommen, ist das schon ein großer Fortschritt."

Die neue Therapieform wird an den spezialisierten Kliniken in Österreich bereits angewendet. Bei der Behandlung des Bronchuskarzinoms liegt Österreich zwar weltweit im Spitzenfeld, die Zahl der Lungenkrebs-Neuerkrankungen stieg in den vergangenen Jahren aber massiv an. Bis 2030 soll es doppelt so viele Fälle geben. Vor allem immer mehr Frauen sind betroffen bzw. sterben daran, heißt es vonseiten der Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP).

Bis zum Jahr 2030 wird bei Frauen und Männern ein Plus von 91 Prozent gegenüber dem Jahr 2014 prognostiziert, also nahezu eine Verdopplung der Lungenkrebsfälle in Österreich. Wurde im Jahr 1990 bei 2.598 Männern und 873 Frauen Lungenkrebs diagnostiziert, so waren es im Jahr 2009, 2.829 Männer, welche die Diagnose Lungenkarzinom erhielten, und bereits 1.531 Frauen. Für 2020 prognostizierte die Statistik Austria 2.948 Neuerkrankungen bei Männern und 2.277 bei Frauen. Für 2030 seien bei Männern mit 2.958 nur geringfügig mehr Lungenkarzinom-Neuerkrankungen als für 2020 prognostiziert, während bei Frauen mit prognostizierten 3.208 Neuerkrankungen erneut eine deutliche Zunahme zu erwarten sei. Dann werden sie die Männer überholt haben. (APA, 16.8.2019)