Den Drang, die Welt zu verbessern – "to make the world a better place", wie die Amerikaner sagen –, sollte man prinzipiell würdigen. Leider unterliegen gute Absichten oft der Dialektik, das Gegenteil des Intendierten hervorzubringen und so zur Kraft zu werden, die zwar das Gute will, aber stets, wenn schon nicht das Böse, so doch das Schädliche oder Idiotische schafft.

Die in absurde Haarspaltereien verstrickten K-Gruppen in den 1960ern und 1970ern waren ein derartiger Fall. Heute sieht es so aus, als drohte etlichen Repräsentant*Innen des Queer- und Genderfeminismus und Antirassismus ein ähnliches Schicksal. Eine der bekanntesten Havarien aus diesem Lager war die Reaktion – besser Nichtreaktion – auf die Kölner Silvesternacht 2016, als unter dem Titel des "Antirassismus" diskret über jedes Fehlverhalten der männlichen Beteiligen hinweggesehen wurde.

Wer den einschlägigen Szenen nicht selbst angehört, aber wissen möchte, wie sie ticken, ist mit dem kritischen Sammelband Freiheit ist keine Metapher gut bedient. Der Herausgeber, Historiker Vojin Sasa Vukadinovic, hat zuvor bereits an der ebenfalls im Berliner Querverlag erschienenen Streitschrift Beißreflexe von Patsy l'Amour La Love mitgearbeitet, welche wie die Freiheit für anhaltende Debatten sorgte und sorgt.

Liebevoll kultiviertes Wehleid

Und zu debattieren und kritisieren haben die 38 Beiträgerinnen und Beiträger genug. Das liebevoll kultivierte Wehleid etwa, welches oft mit der angemaßten Definitionsmacht einhergeht, zu bestimmen, was Rassismus und Sexismus ist und was nicht (Kritik daran: unerwünscht).

Die Bereitschaft, noch die frauenfeindlichsten religiösen Idiosynkrasien als Ausdruck kultureller Vielfalt zu deuten. Nicht selten ein blanker Antisemitismus, der etwa auf der bizarren Denkfigur basiert, Israel sei ein Land "der Weißen" und daher, im Sinne der "kritischen Weißseinsforschung", per se einmal "schuldig".

Breiter Raum wird naturgemäß der Philosophin Judith Butler eingeräumt, die zwar vieles zur Dekonstruktion des Geschlechterbegriffs beigetragen hat, in paradoxer Weise aber auch zum Aufleben steriler "essenzialistischer" Zuschreibungen ("weißer alter Mann" usf.). Mit Aufklärung hat das wenig zu tun, viel dafür mit Group-Think, fehlkompensierten Verletzlichkeiten und Machtspielen. Der Flurschaden, den manche Narreteien stiften, ist erheblich: indem legitime Anliegen diskreditiert werden, politische Energie verpufft und die "Rechte" ständig mit Entrüstungsanlässen versorgt wird, an denen sie sich komfortabel hochranken kann.

Leider lässt die Präsentation des opulenten Materials in diesem Buch zu wünschen übrig (kein Sach- und Personenregister). Für die Einsichten und Denkanstöße, die es vermittelt, kann man das gerne in Kauf nehmen. (Christoph Winder, 17.8.2019)