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Peter Sidlo, zuletzt Chef einer kaum wahrgenommenen Finanzgesellschaft, stieg mit Hilfe der FPÖ blitzschnell auf.

Foto: Picturedesk / Verlagsgruppe News / Wolfgang Wolak

Seinen ersten Werktag nach dem Sommerurlaub mit Frau und Kindern hat sich Peter Sidlo garantiert anders vorgestellt. Am vorigen Montagvormittag hatte der 45-Jährige, der seit Mai im Vorstand der teilstaatlichen Casinos Austria AG (Casag) sitzt und dort für die Finanzen des Glücksspielkonzerns zuständig ist, ungeladenen Besuch.

Hausdurchsuchung, beschieden ihm Staatsanwalt und Kriminalisten, die wenig später auch in Sidlos Casag-Büro vorstellig wurden. Es geht um Vorwürfe der Bestechung und Bestechlichkeit, die sich an der Bestellung des freiheitlichen Juristen in den Casag-Vorstand entzündet haben.

Postenschacher-Vorwurf

Türkis-blauer Postenschacher, gepaart mit dem Verdacht, freiheitliche Expolitiker wie der frühere Vizekanzler Heinz-Christian Strache oder Johann Gudenus hätten Novomatic-Spitzenkräften Entgegenkommen in Glücksspielbelangen signalisiert und dafür einen der Ihren, eben Sidlo, in den Vorstand der Casag untergebracht.

Sidlo sei, so der Vorwurf, für den Posten nicht qualifiziert. Er habe sich "als Vorstandsmitglied der Casag zur Verfügung gestellt", heißt es im Hausdurchsuchungsbefehl der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), in dem Sidlo Beihilfe zur Bestechlichkeit vorgeworfen wird. Wohlgemerkt: Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Freunde und Förderer

Sidlo, Sohn eines auf Flughafenfahrten spezialisierten Taxiunternehmers aus Wien-Alsergrund, fand sich also spätestens am Montag mitten in einem veritablen Skandal wieder. Ermittelt wird schon ein wenig länger gegen ihn, zunächst auf Basis einer anonymen Anzeige, die, wie berichtet, alles ins Rollen gebracht hatte. Hausdurchsuchungen gab es am Montag auch bei den Freunden und Förderern des vormaligen FPÖ-Bezirksrats in Wien-Alsergrund, bei Gudenus und Strache.

Damit stand Sidlo über Nacht im Rampenlicht der Bühne der Republik. Nur: Wie ist er dorthin gekommen? Kurz könnte man wohl so sagen: Sidlo, dem Wegbegleiter unisono ausgeprägtes Selbstbewusstsein und viel Ehrgeiz nachsagen, surfte in der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Sebastian Kurz auf der blauen Welle in lichte Höhen – in den Generalrat (Aufsichtsrat) der Nationalbank (OeNB), in den Vorstand der Casinos.

Dünne blaue Personaldecke

Er galt Strache und den Wiener Freiheitlichen als Personalreserve, er selbst kenne Sidlo schon aus seiner Kindheit, erzählt Strache dem STANDARD. Beim Ring Freiheitlicher Studenten (RFJ) konnte man die blauen Freundschaften ausbauen. Ende der 1990er-Jahre ging Sidlo in die Bezirkspolitik, legte sein Mandat vor kurzem zurück. FPÖ- Bezirksparteiobmann Nikolaus Amhof ist voll des Lobs, wenn er von seinem langjährigen Stellvertreter spricht.

Fleißig sei der, pünktlich, kompetent und ein sympathischer Familienmensch obendrein. So habe Sidlo Kontakte für die Großbaustelle beim Franz-Josef-Bahnhof hergestellt, er sei halt ein lösungsorientierter Typ. Letzteres bestätigen auch SPÖ- und Grünen-Mandatare aus dem neunten Bezirk, durch "Hyperaktivität" sei er aber nicht aufgefallen. Wofür er sich am meisten eingesetzt habe? Ein roter Bezirksrat: "Für seinen Einsatz zur Durchfahrt Boltzmanngasse." Die Aufhebung deren Sperre für den Autoverkehr vor der US-Botschaft sei von jeher Dauerthema der Bezirks-FPÖ, so der Mann.

Griff nach den Sternen

Während der "weltoffene, liberale Freiheitliche" (Amhof über Sidlo) also politisch für den Durchzugsverkehr arbeitete, wandte er sich beruflich, nach Gerichtsjahr und Stopp bei einer großen Wiener Anwaltskanzlei, dem Kapitalmarkt zu. Ging zur Bundeswertpapieraufsicht, wechselte 2002 zur neuen Finanzmarktaufsicht. Dort kümmerte er sich als "einfacher Mitarbeiter, der aber Talent und Potenzial für Führungsaufgaben hatte" (ein Kollege) um Wertpapierdienstleister, Vor-Ort-Prüfungen und Wohlverhaltensregeln für Emittenten von Wertpapieren. Von politischen Ambitionen sei damals nichts zu merken gewesen, erinnert sich ein Exkollege, sehr wohl sei aber karrieretechnisch zu merken gewesen: "Er ist einer, der nach den Sternen greift." Und, so sein Nachsatz: "Er hätte dafür aber die richtigen Wegbegleiter gebraucht."

Nach den Sternen griff Sidlo als Nächstes bei der börsennotierten Immogesellschaft Conwert, wo er laut seinem von der Casag veröffentlichten Lebenslauf u. a. eine Kapitalerhöhung um 413 Millionen Euro betreut habe. Involvierte sehen das ein wenig weniger staatstragend: Sidlo sei bei entsprechenden Gesprächen dabei gewesen.

Honorar und Aufsicht

Auf Conwert folgte der Wechsel zur klitzekleinen Finanzgesellschaft Sigma, die Sidlos Schwager Markus Braun gehört. Der Obmann des FPÖ-nahen Vereins Austria in Motion hat jüngst seine Finanzen offengelegt. Via Sigma kam Sidlo auch in den Aufsichtsrat der Wiener Privatbank: Sigma betreut die slowakische Arca-Gruppe, die die Bank kaufen wollte. Laut Sigma-Aufsichtsratsprotokoll vom 22. März dieses Jahres bekam die Sigma aus diesem Mandat 260.000 Euro an Honorar. Hätte der Verkaufsdeal geklappt, wären Sidlo selbst zwei Prozent des Preises zugestanden, ist zu hören.

Der weitere Wellenritt Sidlos auf einem blauen Ticket in den OeNB-Generalrat beendete das Bankaufsichtsratsmandat dann aber: Die Optik der Doppelfunktion – hier OeNB, da Bankaufsichtsrat – war denn doch zu schief.

Personalberater riet ab

Anfang des Jahres schien Sidlos Griff nach den Glückssternen dann geglückt. Die FPÖ wollte ihn im Casag-Vorstand, er bewarb sich um den Job, auf Zuraten von Novomatic-Chef Harald Neumann. Personalberater Egon Zehnder allerdings riet dem Aufsichtsrat unter Walter Rothensteiner von einer Bestellung ab: Sidlo fehle Führungserfahrung, habe noch nie größere Budgets, komplexe Geschäftsmodelle verantwortet. Er sei nicht qualifiziert. Dieser Bericht gelangte freilich nie in den Gesamtaufsichtsrat. Unter Stimmenthaltung der tschechischen Casag-Mehrheitseignerin Sazka wurde der 45-Jährige bestellt. Die Folgen dürften damals niemandem bewusst gewesen sein. (Renate Graber, 17.8.2019)