James Hetfield bestellt sich zum Beuschlreißen eine Gabel.

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"We're so fucked!" Es beginnt mit einer schweren Detonation auf der Bühne. Lars Ulrich, der Mann, der seine Bandkollegen sogar in unübersichtlichen Rechtskurven überholt, weil er den Fuß nicht vom Gaspedal kriegt, übt gerade seinen Beruf aus und drischt auf die Felle mit Baseballschlägern ein. Das bringt den Leadgitarristen Kirk Hammett dazu, dass er die Fliegeralarmsirene einschaltet und James Hetfield in seiner Hells-Angels-Gardeuniform auf das F-Wort "Self-Destruct" reimt. Das fängt ja gut an!

Lars Ulrich ist der Schlagzeuger bei Metallica und CEO der hauseigenen Marke Metallica International, dem weltweit führenden Vertreter im Bereich der metallverarbeitenden Industrie. Andere mögen zwar besser sein, härter klingen und rattenschärfer drauf sein, aber Metallica ist auch so etwas Ähnliches wie das Coca Cola des Heavy Metal. Das gibt es zwar mitunter ohne Kalorien, dafür aber leider mit Kirschgeschmack. Im Magen liegt die Pampe mit den süchtig machenden Süßstoffen so oder so ziemlich schwer.

Da kommt nie einer entgegen

Lars Ulrich ist an diesem Abend im Wiener Ernst-Happel-Stadion zumindest im Sektor C – 1. Rang schräg seitlich von der Bühne ganz hinten, dort wo sich die Schallwellen brechen, als Echo zurückschwappen und die Besucher nach einer halben Stunde schon komplett wucki machen, die Hauptperson. Man hört über weite Strecken dieser Best-of-Böse-Show vor allem ihn. Das ist insofern ein bisschen blöd, weil man sich als Beifahrer beim Überholen in einer unübersichtlichen Rechtskurve ja auch nicht wirklich wohl fühlt. Der Satz "Ich kenne die Strecke, da kommt nie einer entgegen" zählt zu den modernen Gründermythen unserer Ellbogengesellschaft und steigert sich manchmal zu den berühmten letzten Worten.

Die Basstrommel macht also Bumm, die Tom-Toms kartätschen – und die Becken zischeln. Die anderen drei Metallicas spielen auch mit. Bei der schönen alten Heavy-Metal-Schnulze "The Unforgiven" vom auch schon wieder 1991 erschienenen Black Album entwickelt sich dabei sogar so etwas ähnliches wie ein regulärer Konzertsound. Gut auch, dass Metallica im Vergleich zu vielen Metal-Kollegen immer auch von vielen Vertretern der reinen Lehre abgelehnte Melodien in ihre Stücke einbauen. "Harvester Of Sorrow" wird so live erkennbar.

Gefährliche Rechtskurven

Dazwischen krachen Böllerschüsse und Feuerwerke setzen die Welt in Brand (symbolisch!). Immerhin hat man im großteils seit Jahren bewährten Liveprogramm auch diesbezüglich passende Stücke wie "The Four Horsemen", "For Whom The Bell Tolls", "Creeping Death" oder "Seek & Destroy". Kennt man alles auswendig, sie waren ja erst im März 2018 in der Wiener Stadthalle. Eigentlich sind Metallica seit den 1990er-Jahren gefühlt jedes Jahr entweder in Wien oder beim Nova Rock. Es gibt ja nicht mehr so viele Bands, die wie etwa heute im Happel-Stadion 53.000 Menschen dazu bringen, einen Hunderter Eintritt zu bezahlen, um dann diesen Grottensound zu ertragen. Die Band spielt (bis auf die Rechtskurven) wahrscheinlich gut wie immer, leider hat der Aufsichtsrat von Metallica International keine Bewilligung für die Mitnahme zusätzlicher Lautsprecherboxen erteilt. Mit denen könnte man das Echo vermeiden, es hätte aber auch zusätzliche Kosten verursacht. Ja, was soll man machen, früher als mittelständischer Betrieb wäre das noch leichter gegangen, aber heute mit den vielen Aktionären, die immer nur Geld, Geld, Geld sehen wollen.

Als Verneigung vor dem Wiener Publikum sang Bassist Robert Trujillo tatsächlich raunzerisch eingefärbt "Schifoan" von Wolfgang Ambros. Das freute die Hiesigen und störte die Slowaken und Ungarn nicht weiter. Als Zugabe kam ordnungsgemäß "Nothing Else Matters" und schließlich der Sandmann ("Enter Sandman"). Wenn Metallica nächstes Jahr nicht auf dem Nova Rock spielen, dann bitte doch wieder in der Stadthalle. Stadionkonzerte sind eine Plage. Man kann ja bei der Bilanzbuchhaltung für die Aktionäre ein wenig kreativ sein. (Christian Schachinger, 17. 8. 2019)