US-Verhandler Zalmay Khalilzad mit afghanischen Frauen. Für sie war das Leben unter den Taliban die Hölle.

Foto: AFP / Wakil Kohsar

Der "Islamische Staat" war schon immer ein Meister der Kommunikation durch Terror: Am Freitag brachte US-Präsident Donald Trump die Spitzen der nationalen Sicherheit zusammen, um mit dem "Sondergesandten für die Afghanistan-Versöhnung", Zalmay Khalilzad, selbst afghanischer Herkunft, die Fortschritte seiner Friedensverhandlungen mit den Taliban zu besprechen. Einen Tag später griff der IS in Kabul eine Hochzeitsgesellschaft an: mehr als 60 Tote.

"Versöhnung", "Frieden", das sind große Worte für das, worum Khalilzad mit seinem Konterpart, dem Taliban-Mitgründer Mullah Baradar, der zu diesem Zwecke aus der Haft in Pakistan freigelassen wurde, ringt. Bisher haben in Doha, der Hauptstadt Katars, acht Gesprächsrunden stattgefunden. Seit Wochen steht ein Durchbruch im Raum, auch das Treffen in Washington war ein Hinweis darauf. Dem Anspruch der innerafghanischen Versöhnung steht jedoch entgegen, dass die Taliban nur mit den USA, nicht mit der afghanischen Regierung von Präsident Ashraf Ghani reden. Dazu würden sie sich, so viel man weiß, erst im bevorstehenden Deal mit den USA verpflichten.

Im vierteiligen Abkommen geht es um den von Trump ultimativ gewünschten Abzug der etwa 14.000 US-Soldaten aus Afghanistan, 18 Jahre nach Kriegsbeginn. US-Bedingung ist, dass die Taliban erstens einem Waffenstillstand zustimmen und zweitens garantieren, dass kein Terrorismus mehr von Afghanistan ausgeht. Das heißt, sie würden keine Terrorgruppen beherbergen – wie Al-Kaida im Vorfeld von 9/11.

Die Wächter am Hindukusch

Hier kommt der IS ins Spiel. Die Taliban wären demnach diejenigen, die den "Islamischen Staat" in Afghanistan verhindern und bekämpfen. Die Taliban avancieren zu den Wächtern der freien Welt am Hindukusch. Das klingt zynisch. Beobachter der Gespräche versichern, dass die Taliban von damals nicht die Taliban von heute sind. Jene Gruppen, die von der im Herbst 2001 durch USA und Nato beendeten Taliban-Herrschaft besonders betroffen waren, fürchten dennoch um ihre Zukunft. Allen voran sind das die Frauen, die 2001 aus ihren häuslichen Gefängnissen befreit wurden, in die sie die ultrakonservative Paschtunenbewegung verbannt hatte.

Der politische Teil des Deals besteht darin, dass die Taliban nach dem Abzug von USA und Nato mit den anderen Gruppen Verhandlungen über die Zukunft Afghanistans aufnehmen. Versöhnung bedeutet jedoch zwangsläufig immer auch Kompromiss. Gesellschaftlich und politisch würde er auf die üblichen Formeln zwischen "Gleiche Rechte für alle" und "Nichts, was dem Islam und den afghanischen Werte widerspricht" hinauslaufen. Welches Afghanistan dabei letztlich herauskommt, bleibt zu sehen.

Dazu, wie viel Prozent der afghanischen Bevölkerung heute unter Taliban-Kontrolle leben, gibt es sehr widersprüchliche Angaben. Die vergangenen Monate haben die Taliban, von den Verhandlungen mit den USA völlig unbeeinflusst, an allen Ecken und Enden Afghanistans auf Kosten der Regierung militärische Gewinne erzielt. Dazu kommt die wachsende Zahl von Attentaten, etwa am Wochenende bei Mazar-e Sharif, die meist den Taliban zugesprochen werden. Wie ja auch zuerst jene von Samstagnacht in Kabul. Im ersten Halbjahr wurden 1400 Zivilisten getötet. Eine weitere Geißel im Land sind Hunger und Trockenheit.

Hauptsache Stabilität

Die US-Abzugsabsichten genießen international viel Unterstützung. Moskau wurde zum Verhandlungsort zwischen den Taliban und der afghanischen Opposition. Auch China hat angesichts seiner Seidenstraßenpläne ein besonderes Interesse an einem stabilen Afghanistan, wer auch immer diese Stabilität schafft. Und die Europäer können es ohnehin nicht erwarten, Afghanistan zu einem sicheren Land zu erklären, um die Flüchtlinge zurückzuschicken.

Es ist aber auch möglich, dass sich die Geschichte wiederholt. Wie 1989 nach dem Abzug der Sowjets könnte der Waffenstillstand auch diesmal, wenn sich die Verhandlungen als zu schwierig erweisen, zusammenbrechen. Die alten Gruppen und Warlords warten noch immer hinter den Kulissen.

Insofern ist auch die Präsidentenwahl, die nach zwei Verschiebungen nun am 28. September stattfinden soll, eher ungünstig: Wahlen sind keine Zeit, in der die politischen Spieler näher aneinanderrücken – was im Lichte der heraufziehenden Verhandlungen aber nötig wäre. 17 Kandidaten treten an, Favorit bleibt Amtsinhaber Ashraf Ghani. Da ihn die Taliban als US-Marionette sehen – weswegen sie mit ihm ja bisher nicht reden -, wird er in einem "versöhnten" Afghanistan aber nicht viel Zukunft haben. (Gudrun Harrer, 18.8.2019)