Kabul – Die pompös geplanten Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Afghanistans sind von Gewalt überschattet worden. In der ostafghanischen Provinz Nangarhar wurden mindestens 52 Menschen auf dem Weg zu oder bei Unabhängigkeitsfeiern durch zehn Sprengsätze verletzt, teilte das Büro des Provinzgouverneurs am Montag mit.

In der östlichen Provinzhauptstadt Mehtarlam wurden Behördenangaben zufolge weitere sechs Menschen verletzt, als eine Granate in jenem Gebiet einschlug, in dem Feierlichkeiten stattfanden.

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Einsatzkräfte nahe dem Anschlagsort in der Provinz Nangarhar am Montag.
Foto: REUTERS/Parwiz

Anschlag mit mehr als 60 Toten am Sonntag

Ursprünglich waren umfangreiche Feiern im ganzen Land geplant. Einem Präsidentendekret zufolge war ein Budget von 4,8 Millionen US-Dollar dafür vorgesehen. Ein Teil der Festlichkeiten war am Sonntag aber nach dem verheerenden Anschlag der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in einer Hochzeitshalle in Kabul mit mehr als 60 Toten abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

Präsident Ashraf Ghani sagte in einer Rede im neu renovierten Königspalast in Kabul, der "Feind" habe die Feierlichkeiten verschoben, indem er das Blut von Zivilisten vergossen habe. Über die Unabhängigkeit wolle er nun nicht sprechen.

Als ein Höhepunkt der Feiern war nach dreijähriger Renovierung die Wiedereröffnung des Königspalastes in Kabul geplant, einem Soldaten beim Königspalast zufolge waren mehrere tausend Menschen dazu geladen. Der zerschossene Königspalast, in den 1920er-Jahren vom deutschen Architekten Walter Harten entworfen, galt lange als Mahnmal der gewalttätigen Geschichte des Landes. Die Wiedereröffnung soll nun später stattfinden.

Drei Kriege

Die Briten hatten drei Kriege geführt, um Afghanistan unter ihre Kontrolle zu bringen und so die Expansion des Zarenreiches nach Süden zu stoppen. Den Krieg 1839-42 verloren die Briten. Nach dem zweiten Krieg 1878-80 wurde Afghanistan von Großbritannien abhängig. König Amanullah erklärte bei seiner Thronbesteigung die völlige Unabhängigkeit Afghanistans von Großbritannien, was zu einem kurzen dritten Krieg (Mai-August 1919) führte. Die vom Ersten Weltkrieg geschwächte britisch-indische Armee konnte keinen entscheidenden Sieg erringen. Afghanistan wurde frei.

Der Unabhängigkeitstag war vergangene Woche kurzfristig zu einem offiziellen Feiertag erklärt worden. In Kabul waren nur wenige Autos auf den Straßen, die vereinzelt mit Fahnen geschmückt waren. Jugendliche fuhren mit Fahnen auf ihren Rädern durch das Zentrum.

Größere Zeremonien gab es in mehreren Provinzhauptstädten. Im östlichen Gardes etwa wurde eine Parade abgehalten mit Militärs und Sportlern. Im westlichen Herat wurden unter strengen Sicherheitsvorkehrungen traditionelle Tänze vorgeführt.

Auf Mauern in Afghanistans Hauptstadt Kabul wird an den Unabhängigkeitstag erinnert.
Foto: APA/AFP/WAKIL KOHSAR

US-Außenminister Mike Pompeo gratulierte den Afghanen. Diese könnten stolz sein, wenn sie nun ein Jahrhundert der Widerstandsfähigkeit und kulturellen Vielfalt feierten. Leider, hieß es weiter, sei die Geschichte Afghanistans auch von Konflikten geprägt gewesen. Die USA würden "unsere Verpflichtung, gemeinsam auf eine friedliche Zukunft hinzuarbeiten, verdoppeln".

Verhandlungen mit Taliban

Seit rund einem Jahr sprechen die USA mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen.

US-Präsident Donald Trump hatte im Dezember verkündet, 7.000 der noch dort stationierten 14.000 US-Soldaten abziehen zu wollen – wobei sich die Zahl der Angestellten von privaten Sicherheitsunternehmen, die für die USA tätig sind, auf etwa 25.000 beläuft. (APA, red, 19.8.2019)