Als Urgroßvater Kaspar Gaube 1895 mit dem Weinmachen begonnen hatte, gab es noch lange keine Grenze. Mehr als 100 Jahre später kann man wieder – angesichts der Bemühungen diverser Routenschließer aber auch: noch – von der Staatsmacht unbehelligt aus der Südsteiermark hinüber in die Štajerska wechseln. Die unmittelbare Verwandtschaft von hüben mit drüben ist mehr als augenfällig: in den Namen der Menschen, in der Anmut der Landschaft, im Geschmack des Weins. Und erst recht natürlich beim Essen.

Das Weingut Gaube liegt eingebettet in Hügel und Weinberge, bis vergangenes Jahr gab es auch ein paar Schweine für den Privatgebrauch und die Versorgung der Buschenschank. "Jetzt haben wir eine Familie im Nachbardorf gefunden, die uns die fünf Ferkeln, die wir im Jahr brauchen, nach unseren Angaben großzieht", sagt Klavdija Gaube, die den gastronomischen Teil der Unternehmung überhat. Salami, Schinken, Speck und Zaseka (vulgo Verhackerts) macht sie aber unverändert selbst, die anderen Teile von Kopf bis Fuß finden sich in schöner Regelmäßigkeit in den Menüs wieder, die Frau Gaube nach Voranmeldung zubereitet.

Eine alte Hube, eingebettet in die Hügel der Štajerska: das Weingut Gaube, gleich hinter Ratsch an der Weinstraße.
Foto: M. Corti

Hausgemachte Herrlichkeiten

Beim Wein sind, no na, Welschriesling, Sauvignon blanc und Morillon die wichtigsten Reben. Pinot noir und Sylvaner gibt es aber auch – gerade Letzterer sorgt als universeller Speisenbegeiter auf zahlreichen Speisekarten der Gegend für die Verbreitung des Gaube'schen Renommees. Der Top-Chardonnay Kaspar liegt zehn Monate auf der Hefe und wird mittels Batonnage aufgerührt – am Gaumen resultiert das in bemerkenswerter Komplexität und animierendem Trinkfluss.

Die Buschenschank ist in der Konzentration auf hausgemachte Herrlichkeiten ein Beispiel dafür, wie beglückend unmittelbar diese Art des Weinausschanks von der Kultur der Gegend erzählen kann – bis hin zu köstlich gereiftem Käse und den zwei Brotsorten wird hier alles von Familienmitgliedern bereitgestellt. Dafür allein lohnt die Anfahrt – so richtig toll aber wird es, wenn Klavdija Gaube auftischt, was sie frisch gekocht hat. Dafür sollte man sich im Idealfall ein paar Tage vorher anmelden und das Menü besprechen.

Das kann vorweg hauchdünn geschnittener, zart gelierter Presskopf mit Kernöl und milder Gemüsezwiebel sein, oder Vogerlsalat mit hausgeräuchertem Schweinszüngerl. Dann eine klassisch liebstöckelduftige Rindsuppe mit hausgemachten(!) Fadennudeln oder, wenn es entsprechende Beute gibt, ein Monument von einer Pilzsuppe, klar, dicht, pur, von der Kraft zahlloser bissfester Pilze erfüllt.

Non Chichi

Zucchinicremesuppe, aus selbst gezogenem Gemüse, hat es gegen so eine Sensation natürlich schwer – dass Gaube eine zartbittere und von der Frische des Gemüses übergehende Suppe herstellt (die noch dazu ganz ohne Obers so köstlich wird!), steht dem aber nicht im Weg.

Ob zur Hauptspeise gefülltes Schweinsbrüstel mit Buchweizen-Schupfnudeln unvermeidlich ist oder doch das saftige, gekochte Rindfleisch mit schmalzgerösteten Erdäpfeln und höchst feinem Gurkengemüse, ob es langsam gegarter Schweinebauch mit einer vor Frische vibrierenden, salzigen Karottentarte und Bratgemüse sein soll oder doch hausgemachte Pasta ripiena, bespricht man entspannt mit der Hausfrau. Mehr als gut ist es in jedem Fall, mit Eleganz, Können, ohne Chichi gekocht.

Die besten Marillenknödel: von explosiv reifer Fruchtigkeit, gehüllt in herrlich mürben, zart salzigen Erdäpfelteig, in Brösel, Butter und Zucker mehr angebraten als gehüllt – sehr nahe am Wahnsinn.
Foto: M. Corti

Platz für die Nachspeise muss man sich lassen. Wer zur Knödelzeit kommt, darf sich auf die besten Marillenknödel freuen (siehe Bild), von explosiv reifer Fruchtigkeit, gehüllt in herrlich mürben, zart salzigen Erdäpfelteig, in Brösel, Butter und Zucker mehr angebraten als gehüllt – sehr nahe am Wahnsinn. Die anderen Sachen, ob Panna cotta mit wilden Heidelbeeren oder Apfelkuchen, sind nur im Vergleich dazu nicht zum Niederknien. (Severin Corti, RONDO, 23.8.2019)

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