Heinz-Christian Strache betreibt die Täter-Opfer-Umkehr professionell.

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Der bekannte österreichische Schriftsteller Josef Winkler ("Das wilde Kärnten") stellt uns seine Einschätzung des "Sommergespräch"-Auftritts von Norbert Hofer in einem Satz zur Verfügung: "Ein Weichei im Pflaumenmus mit der Schwanzrassel einer Klapperschlange."

Hofer versuchte in diesem ORF-Interview auf seine – pseudosofte – Weise, den Prozess weiterzutreiben, den die FPÖ seit Ibiza und der Novomatic/Casinos-AG-Hausdurchsuchung auf allen Kanälen spielt: die Täter-Opfer-Umkehr. Aggressive Täter machen sich selbst zu "Opfern", um ihre Aggression gegen die wirklichen Opfer rechtfertigen zu können.

Zur Erinnerung: Heinz-Christian Strache und Gudenus boten im berühmten Ibiza-Video einer falschen russischen Oligarchennichte an, für Geld die halbe Republik zu verklopfen: Strache bietet ganz klar Staatsaufträge gegen Wahlkampfhilfe an. Er verspricht Privatisierungen, die Lockerung des Glücksspielmonopols usw. und sagt der "Russin", dass es da für sie auch eine "Möglichkeit" gebe.

Lockerung des Glücksspielmonopols

In der Novomatic/Casinos-Sache geht die Staatsanwaltschaft von dem Verdacht aus, dass die FPÖ sich für eine Lockerung des Glücksspielmonopols einsetzen wollte, wenn die Novomatic für den – ungeeigneten – FPÖ-Mann im Casinos-Vorstand stimmt. Trotzdem finden sich bürgerliche Zeitungen, die indirekt die FPÖ-Verteidigungslinie unterstützen und die untersuchende Justiz infrage stellen.

Diese Verteidigungslinie ist eine Täter-Opfer-Umkehr. In einem wahren Interview-Furioso versuchte Strache, sich selbst als Opfer politischer Machenschaften darzustellen: "politischer Angriff", "Angriff auf meine Glaubwürdigkeit".

Er ist ein Opfer.

Rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien und Politiker betreiben die Täter-Opfer-Umkehr geradezu professionell. Auch autoritäre Regime wie das Wladimir Putins oder das chinesische bedienen sich dieser Methode, um ihre Bürger, die für demokratische Rechte demonstrieren, als "Unruhestifter" und "Terroristen" bekämpfen zu können.

"Bevölkerungsaustausch"

Wenn Strache (wie Viktor Orbán, Matteo Salvini oder die AfD) von einem gewollten "Bevölkerungsaustausch" sprechen, dann bereiten sie mit dieser Mischung aus Täter-Opfer-Umkehr und Verschwörungstheorie bereits die Stimmung für rabiate, undemokratische Maßnahmen vor. Wenn Straches Kumpan Johann Gudenus die Verschwörungstheorie Orbáns aufgreift, wonach der jüdische internationale Financier George Soros einen Plan verfolgt, Europa mit Muslimen zu fluten, dann steigen übelste Erinnerungen hoch.

Das berühmteste und zugleich furchtbarste Beispiel für eine Täter-Opfer-Umkehr ist die Rede Hitlers am 30. Jänner 1939, mit der er vor einem Millionen Millionenpublikum zugleich den Krieg und den Holocaust ankündigte: "Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa."

Die Dimensionen sind andere, aber die Täter-Opfer-Umkehr ist nach wie vor das liebste Instrument undemokratischer, aggressiver Politiker. (Hans Rauscher, 20.8.2019)