An dieser Stelle herrschte in der Steinzeit noch rege Aktivität.
Foto: Maritime Archaeological Trust

Östlich der Hafenstadt Yarmouth auf der Isle of Wight sind Archäologen auf die Spuren einer mittelsteinzeitlichen Anlage gestoßen, die sie als Überreste einer Bootswerft interpretieren. Erweist sich diese Annahme als richtig, wäre es die älteste bekannte Anlage dieser Art weltweit: Die hölzernen Strukturen sind ersten Untersuchungen zufolge etwa 8.000 Jahre alt.

Heute befindet sich der Boden um diese Anlage elf Meter unter dem Meeresspiegel. Im späten Mesolithikum hingegen konnte dort nicht nur trockenen Fußes gearbeitet werden, die ganze Region war damals noch mit dem Festland verbunden. Nordsee und Ärmelkanal hatten nach dem Abschmelzen der eiszeitlichen Gletschermassen sukzessive die Landstriche zwischen den britischen Inseln und dem europäischen Kontinent überflutet – zu Zeiten der nun entdeckten Anlage aber noch nicht ganz die heutigen Formen angenommen. Die Isle of Wight war damals noch keine Insel.

Reste einer versunkenen Kultur

Wie der Maritime Archaeological Trust berichtet, wurde im Meer inmitten eines versunkenen Waldes eine zusammenhängende Plattform aus mehreren Schichten von Balken ausgemacht, die auf einem Fundament aus Rundhölzern ruhen. Mittels Photogrammetrie wurde zunächst ein 3-D-Modell der Anlage erstellt, erst danach machte man sich an die Ausgrabung.

Das uralte Holz muss sehr sorgfältig von Salz befreit werden.
Foto: The Maritime Archaeological Trust

Die Fundstücke werden in eine Anlage des National Oceanography Centre gebracht, wo auch Sedimentbohrkerne zerfallssicher aufbewahrt werden können. Das alte Holz muss rasch konserviert werden, denn archäologisch relevante Bearbeitungsspuren oder Verzierungen würden sich an der Oberfläche befinden und damit als erstes der Verrottung zum Opfer fallen.

Schon anhand des bisher vorliegenden Materials sind sich die Forscher aber sicher, dass die Erbauer der Anlage Kontakt zu etwas weiter entwickelten jungsteinzeitlichen Kulturen im Süden gehabt haben müssen. Die verwendeten Holzbearbeitungstechniken seien um einige Jahrtausende avancierter gewesen, als man den mesolithischen Briten bislang zugetraut hatte.

Erosion ist des Archäologen Feind

Und noch auf eine zweite Weise läuft den Forschern die Zeit davon: Der Solent, die Meerenge zwischen der englischen Südküste und der Isle of Wight, ist in ständiger Veränderung begriffen. Die dadurch ausgelösten Erosionsprozesse nagen an den Torfschichten, die die Region um die versunkene Anlange bislang konserviert haben. Pro Jahr kann bis zu einem halben Meter dessen, was einmal steinzeitlicher Boden war, unwiederbringlich verloren gehen – mitsamt all den möglichen Zeitzeugnissen der versunkenen Kultur, die dort einmal existiert hat. (red, 21. 8. 2019)