Till Lindemann kann alles Mögliche, daneben ist er Sänger von Rammstein.

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Ein wenig grob wirkt er, aber das passt zur Musik seiner Band. Diese firmiert unter "Neue Deutsche Härte". Der Rest ist Inszenierung. Till Lindemann sieht oft aus wie ein Charakter, der Alfred Döblins Roman Berlin Alexanderplatz entnommen sein könnte: ein breitschultriger Arbeiter in Sonntagskleidung am Weg zum Bierkrug. Oder wie ein Statist aus einem Fritz-Lang-Film. Bleich geschminkt, mitunter von Apparaturen entstellt, wie sie im Wiener Narrenturm ausgestellt sind. Er würde aber auch in keinem postapokalyptischen Krawumms-Film fremd wirken. Nur dass sein Krawumms auf Konzertbühnen stattfindet. Till Lindemann ist Sänger von Rammstein, Nebenerwerbsdichter und Hobbyschauspieler. Wobei sein Job als Sänger ja ebenfalls eine Rolle ist.

Wirkmächtige Texte

Aus dem vom Schwimmsport geformten Oberkörper des 56-Jährigen grollt ein Bass, der sloganhafte Provokationen formuliert. Und zwar dermaßen erfolgreich, dass die Band am Donnerstag und Freitag das Ernst-Happel-Stadion in Wien ausverkauft hat – und einen Gig in Kärnten 2020 gleich dazu.

Unter Lindemannns Regie verkauft die Band ein Image, das zwischen archaisch und nachdenklich militärisch pendelt. Inhaltlich kokettiert die 1994 gegründete Gruppe mit Tabus, die Lindemann mit einfachen wie wirkmächtige Texten übermittelt. Er spricht von Liebesliedern. Die Musik kommt aus den Häusern Bumm-Bumm und Hardrock, Lindemanns übersteigert seine Prosa mit rollenden Rs. Es donnert, Flammen lodern. Immerhin hat er auch Pyrotechnik gelernt, was besser zur Musik passt als seine Fertigkeit als Korbflechter.

Seltene Interviews

Lindemann wurde 1963 in Leipzig in der damaligen DDR geboren. Der Vater war ein bekannter Kinderbuchautor, die Mutter Journalistin. Über Bands wie First Arsch ging es in Richtung Rammstein, nachdem Regisseur David Lynch zwei ihrer Songs im Film Lost Highway (1997) verwendet hatte, begann die internationale Karriere. Die Empörung, die er mit Provokationen hervorruft, nimmt der Sänger belustigt wahr, Interviews gibt er selten.

Vater und Großvater

Er ist Vater zweier Töchter und Opa. Abseits des Lärms am Arbeitsplatz liebt er die Ruhe und die Literatur. Er schätzt Bücher von Michel Houellebecq, Bert Brecht, Josef Winkler oder Bret Easton Ellis und hat selbst zwei Gedichtbände veröffentlicht. Zu einer Signierstunde in Moskau nahm er eine Dame in Sadomaso-Gala an einer Wurstleine als Begleitung mit. Ein Feingeist bei der Imagepflege. (Karl Fluch, 21.8.2019)