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Brandrodung in Iranduba, Amazonas, 20. August 2019.

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Rauchwolken über Porto Velho, Rondônia.

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Die Brände im Amazonasgebiet sind die schlimmsten seit Jahren, hunderte Quadratkilometer Tropenwald stehen in Flammen.
DER STANDARD

Als sich am Montagnachmittag der Himmel über São Paulo plötzlich verdunkelte, lag das nicht an einem herannahenden Gewitter, sondern an den verheerenden Waldbränden, die seit Wochen im Amazonasgebiet wüten. User posteten auf Twitter Fotos einer Aschewolke, die sich über der Millionenstadt ausgebreitet hatte. "Guten Morgen", schrieb ein User dazu, "vielleicht wüsstet ihr gerne, wie die Apokalypse aussehen wird."

São Paulo, mit zwölf Millionen Einwohnern die größte Stadt Brasiliens, liegt rund 2.000 Kilometer von den nächsten Brandherden entfernt. Satellitenbilder zeigen, dass große Teile des nordwestlichen Bundesstaats Rondônia von Rauch bedeckt sind. In Acre an der Grenze zu Bolivien und im Süden der Provinz Amazonia sowie in deren Hauptstadt Manaus wurde der Notstand ausgerufen. Der Wind hat die Aschewolke nun auch nach São Paulo getragen.

Seit 2013 erfassen Satelliten des brasilianischen Instituts für Weltraumforschung (Inpe) Waldbrände. Mit am Mittwoch gezählten 72.843 Brandherden wurde heuer ein neuer Rekord registriert, im Vergleich zum August des Vorjahres waren es 83 Prozent mehr Brände.

Bolsonaro vermutet Umweltschützer hinter Brand

Nach Darstellung der brasilianischen Regierung könnten Umweltschützer hinter der jüngsten Serie von Waldbränden in der Amazonasregion stecken. "Wir nehmen den Nichtregierungsorganisationen ihre Zuschüsse, wir haben die Überweisungen der Regierungsstellen eingestellt. Jetzt fehlt ihnen das Geld", sagte Präsident Jair Bolsonaro am Mittwoch. "Es kann also sein, dass diese Organisationen gegen mich persönlich und die brasilianische Regierung vorgehen. Das ist der Krieg, in dem wir uns befinden", meinte er. Beweise für seine Behauptungen legte er nicht vor.

Umweltschutzverbände wiesen die Vorwürfe zurück. "Diese Behauptung des Präsidenten ist unverantwortlich", sagte der Präsident des Instituts für Umweltschutz (Proam), Carlos Bocuhy, dem Nachrichtenportal G1. "Es macht überhaupt keinen Sinn, zu behaupten, wir hätten das Feuer gelegt. Das ist absurd."

Bolsonaro, der den Regenwald als wirtschaftlich ungenutztes Potenzial betrachtet, gab sich am Mittwoch unbeeindruckt: "Früher nannten sie mich Kapitän Kettensäge, nun bin ich Nero, der den Amazonas anzündet. Aber es ist normal, dass um diese Jahreszeit Feuer gelegt werden, um Land für die landwirtschaftliche Nutzung zu roden", sagte er vor Journalisten. In den meisten Fällen waren Flächen in Privatbesitz betroffen, aber auch in Naturschutzgebieten und indigenen Ländereien brechen immer wieder Feuer aus.

Disaster Compilations

In manchen Landesteilen hat es seit drei Monaten nicht geregnet, um den staubtrockenen Waldboden zu entzünden, reicht ein Funken. Inpe-Forscher Alberto Setzer erklärte, dass die Trockenheit um diese Jahreszeit normal sei, Schuld an den Waldbränden trügen aber Menschen. Seit Präsident Bolsonaro im Jänner sein Amt antrat, hat er immer wieder betont, dass seine Regierung aufseiten der Minenbetreiber, der Agrarindustrie und der Viehzüchter steht.

Dieses Vorgehen des rechtskonservativen Politikers steht immer wieder international in der Kritik. Vergangene Woche kündigte nach Deutschland nun auch Norwegen an, Finanzhilfen für die Erhaltung des brasilianischen Regenwalds zu stoppen. Rund 44 Millionen Euro, die in den sogenannten Amazonas-Fonds hätten fließen sollen, wurden zurückgehalten. Der norwegische Umweltminister warf Brasilien vor, gar nicht mehr gegen die Abholzung des Regenwalds vorgehen zu wollen.

Umstrittener "Tag des Feuers"

Anfang August riefen Großgrundbesitzer im Bundesstaat Pará einen "Tag des Feuers" aus, kurz darauf registrierten die Inpe-Satelliten einen sprunghaften Anstieg der Waldbrände in dem Gebiet. Präsident Bolsonaro hingegen traut den Zahlen des Inpe nicht: "Wenn sie neue Daten bringen, die nicht so erlogen sind wie bisher, werde ich mir das noch einmal ansehen", erklärte er.

Anfang des Monats hatte Bolsonaro Inpe-Chef Ricardo Galvão nach einem Streit über das Ausmaß der Zerstörungen im Regenwald gefeuert. Galvão hatte dem Präsidenten "Feigheit" vorgeworfen, nachdem dieser öffentlich die Satellitendaten des Instituts infrage gestellt hatte. Laut Inpe wurden im Juli in dem südamerikanischen Staat 2.254 Quadratkilometer Wald abgeholzt. Im Juli 2018 waren es noch 596,6 Quadratkilometer gewesen. Das entspricht einer Zunahme um 278 Prozent.

Der Amazonas-Regenwald gilt als Lunge der Erde. Er nimmt jährlich über zwei Milliarden Tonnen CO2 auf und produziert einen guten Teil des weltweit verfügbaren Sauerstoffs. In der Klimakrise spielt seine Unversehrtheit damit eine Schlüsselrolle. (rio, red, 22.8.2019)