Forscher führen Messungen im Blätterdach der Amazonasregenwälder durch, um deren Leistungsfähigkeit zu berechnen.
Foto: Joao M. Rosa, AmazonFACE

Die Regenwälder des Amazonasgebiets gelten als die vielzitierte "grüne Lunge" der Erde, die Sauerstoff in die Atmosphäre pumpt und ihr zugleich Kohlendioxid entzieht. Den Kohlenstoff bunkern die Wälder in ihrer Biomasse – in Zeiten des Klimawandels eine besonders wichtige Funktion.

Die herausragende Rolle der Wälder Amazoniens ist ihrer immensen Größe von etwa fünfeinhalb Millionen Quadratkilometern geschuldet, das ist mehr als die Hälfte der gesamten Tropenwaldfläche weltweit. Soweit die rein quantitative Perspektive – bei einem "Lungenfunktionstest" schneidet Amazonien aber nicht so gut ab, wie man glauben sollte: Zu diesem Schluss sind vor kurzem zwei unabhängig voneinander erschienene Studien gekommen.

Zu betonen ist vorab noch, dass beide Studien vor den verheerenden Bränden im Amazonasgebiet durchgeführt wurden, die zuletzt für Schlagzeilen sorgten. Sie gingen von Perioden der Normalität aus, sind also nicht als Vorschläge zu betrachten, wie man den Folgen der Feuer entgegenwirken kann.

Am Limit

Die eine Studie, veröffentlicht im Fachmagazin "Nature Geoscience", konstatierte, dass es dem Boden, auf dem diese Regenwälder wachsen, inzwischen an Nährstoffen mangelt, insbesondere an Phosphor. Das gegenwärtige Ökosystems Amazoniens habe in den vergangenen Millionen Jahren den Boden ausgelaugt, berichten Forscher des Lawrence Berkeley National Laboratory.

Man solle sich also keine übertriebenen Hoffnungen machen, dass der erhöhte CO2-Gehalt in der Atmosphäre das Pflanzenwachstum in der Region stark genug ankurbelt, um Amazonien zu einer noch größeren Kohlenstoffsenke zu machen als heute. Die Amazonasregenwälder würden inzwischen an ihre Grenzen stoßen.

Der gärtnernde Elefant

Einen etwas originelleren Grund für die eingeschränkte Lungenfunktion Amazoniens fand indes ein internationales Forscherteam, das seine Studie ebenfalls in "Nature Geoscience" publizierte. In dieser wurde ein Vergleich der südamerikanischen und der kleineren, aber als Kohlenstoffsenken effizienteren afrikanischen Regenwälder angestellt. Der zentrale Befund: In Afrika funktioniert der Mechanismus deshalb besser, weil dort Elefanten mitmischen.

Waldelefanten kommen nur in Zentralafrika vor. Wie groß ihr Bestand heute noch ist, lässt sich nur sehr schwer einschätzen.
Foto: APA/AFP/AMAURY HAUCHARD

Waldelefanten (Loxodonta cyclotis) haben sich wie ihre etwas größeren Verwandten in der Savanne einen Ruf als Gärtner / Landschaftsarchitekten / Ökosystem-Ingenieure erworben: Auf ihren Wanderungen verbreiten sie mit ihrem Kot die Samen einer ganzen Reihe von Pflanzen; der Kot selbst ist als Dünger natürlich auch nicht zu verachten. Über 100 Spezies von Pflanzen profitieren laut Fabio Berzaghi von der Universität Tuscia in Italien von dieser Art der Verbreitung. Und diese liefern wiederum Nahrung und Unterschlupf für zahlreiche Tierarten.

Elefantöse Forstwirtschaft

Die Elefanten wirken sich aber noch auf eine andere Weise auf den Baumbestand aus, und die ist als Klimafaktor entscheidend: Die Riesen schlagen Schneisen durch den Wald, stoßen Bäume um und beschädigen sie durch Fraß oder indem sie ihre massigen Leiber an den Bäumen reiben. Der Bestand an jungen Bäumen wird dadurch laufend ausgedünnt.

Das klingt auf den ersten Blick nach rein destruktivem Treiben. Tatsächlich hat es aber zur Folge, dass die verbleibenden Bäume mehr Platz haben, an mehr Wasser und Licht kommen und dadurch auch stärker wachsen. Obwohl die Wälder Zentralafrikas und Amazoniens von Klima und Bodenbeschaffenheit her vergleichbare Voraussetzungen haben, erreichen die afrikanischen Bäume im Schnitt einen größeren Stammdurchmesser und eine höhere Holzdichte.

Das bedeutet, dass sie im Endresultat mehr Kohlenstoff speichern als ihre südamerikanischen Pendants. Und zu verdanken sei dies allein den Elefanten, so die Forscher. Bei einer durchschnittlichen Elefantendichte von einem bis zwei Tieren alle zwei Quadratkilometer steige die Biomasse des Waldes um 26 bis 60 Tonnen pro Hektar.

Wo Elefanten gebraucht werden

Natürlich denkt trotzdem niemand daran, Elefantenherden auf das Amazonasgebiet loszulassen, um die Effizienz von dessen Wäldern zu erhöhen. Während des Eiszeitalters war Südamerika zwar von mindestens zwei Spezies aus der Elefantenverwandtschaft besiedelt – aber die sind mit der Ankunft des Menschen verschwunden und das gegenwärtige Ökosystem würde von einer derart prägenden Spezies schwer getroffen.

Zudem braucht der positive Einfluss der Elefanten ohnehin Zeit, wie die Forscher in Simulationen errechneten. Für 125 bis 250 Jahre würde die Biomasse der Wälder erst einmal sinken, wenn die Elefanten ihr Zerstörungswerk aufgenommen haben – ironischerweise also ähnlich lang, wie das Industriezeitalter bereits dauert, das den menschengemachten Klimawandel befeuert. Erst 250 bis 1.000 Jahre nach der Einführung von Elefanten würde das Ökosystem zu einem neuen Gleichgewicht auf höherem Niveau finden.

Die afrikanischen Regenwälder dürfen ihren Gärtner nicht verlieren.
Foto: Stephen Blake

Wichtig ist allerdings der Umkehrschluss: Die Waldelefanten dürfen aus Afrika auf keinen Fall verschwinden. Seit der Kolonisierung Westafrikas sind ihre Bestände aufgrund von Abholzungen und Elfenbeinjagd auf ein Zehntel der ursprünglichen Größe geschrumpft. Würde der Waldelefant komplett verschwinden, würde dies laut den Simulationen der Forscher zu einem siebenprozentigen Verlust an Biomasse in den Wäldern führen.

Das entspräche drei Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Und wenn einem sonst schon kein Argument für den Elefantenschutz nahegeht, dann vielleicht dieses: Die überschüssige Kohlenstoffmenge künstlich einzulagern, würde laut den Forschern 43 Milliarden Dollar kosten. (jdo, 21. 9. 2019)