Geht es nach der AK, haben die heimischen Banken ihre Kapitalpolster zu behutsam angefasst.

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Wien – Die heimischen Großbanken haben das Vorjahr mit Rekordgewinnen abgeschlossen. 5,7 Milliarden Euro fuhr der Sektor ein. Damit wurde nach dem bisherigen Rekordjahr 2017 (mit rund 4,9 Mrd. Euro) der höchste Überschuss in ihrer Geschichte erzielt. Dazu beigetragen haben vor allem eine nach der Finanzkrise wieder erstarkte Kreditnachfrage aufgrund einer regen Investitionsnachfrage und geringe Wertberichtigungskosten.

Davon haben auch die Anteilseigner profitiert, denn die Dividendenzahlungen waren entsprechend hoch. So schüttete die Erste Group mit 597,4 Mio. Euro (plus 16,7 Prozent im Vergleich zu 2018) von den im ATX notierten Unternehmen am meisten an ihre Aktionäre aus. Die Raiffeisen Bank International (RBI) belegte mit 305,6 Mio. Euro (plus 50 Prozent) Platz drei im Dividendenranking. Auf Platz vier rangiert die Bawag, die 215,2 Millionen Euro an ihre Anteilseigner verteilte. Das ist ein Plus von 269,1 Prozent im Vergleich zu 2018.

Doch trotz Rekordgewinnen und geringeren Risikovorsorgen ist im Vorjahr die Eigenkapitalausstattung der heimischen Kreditinstitute gegen den europäischen Trend gesunken. Das geht aus einer Analyse der Arbeiterkammer Wien (AK) hervor. Für Thomas Zotter von der Abteilung für Wirtschaftswissenschaften der AK spielt die Dividendenpolitik der Institute hier eine tragende Rolle. "Anstatt in der Hochkonjunktur Eigenkapitalreserven aufzubauen, werden kräftig Dividenden und Bonuszahlungen ausgeschüttet", sagt Zotter. Das dünnte trotz Gewinnen das Eigenkapital aus, so Zotter.

Dass Österreichs Häuser hier hinter den EU-Durchschnitt gefallen sind, ist für den Wirtschaftswissenschafter auch deswegen bedenklich, weil Banken im Falle von Anleihebegebungen vom Markt als riskanter eingestuft werden könnten. Zudem würden die Institute Risiken tendenziell in Phasen der Hochkonjunktur aufbauen. Schlagend würden diese dann im Abschwung. Die notleidenden Kredite sind seit der Finanzkrise zwar stark gesunken und auf einem Rekordtief. Aber viel Risiko hätten die Banken in Osteuropa offen. Eingriffe durch die Politik – wie es sie in Ungarn etwa beim Thema Fremdwährungskredite gegeben hat und zuletzt mit der Bankensteuer in Rumänien – zeigen, wie schnell hier Druck aufgebaut werden kann.

Gutes Mittelfeld

Diese Kritik lässt Gunter Deuber so nicht stehen. Der Leiter der Abteilung für Volkswirtschaft, Zinsen und Währungen bei der RBI weist darauf hin, dass ein Vergleich der Eigenmittel nur sehr vorsichtig erstellt werden kann. Es gibt die EU-Vorgabe, dass das harte Kernkapital (im Fachjargon CET1-Ratio) bei acht Prozent liegen muss. Alle heimischen Banken liegen hier weit drüber. Die CET1-Ratio sagt aus, wie gut eine Bank kapitalisiert ist und wie verlusttragfähig sie ist. "Erreicht man den Grenzwert von acht Prozent, hat man im Stresstest schon ein Problem", erklärt Deuber. Hinzu komme, dass Großbanken, die global aktiv sind – etwa die Deutsche Bank -, oder Häuser, die innerhalb Europas als systemrelevant gelten, höhere Auflagen beim Punkt Kapitalisierung haben.

Deuber räumt zwar ein, dass es Zeiten gab, in denen die heimischen Kreditinstitute weniger gut mit Eigenkapital ausgestattet waren. Das sei aber vorbei. Heute sieht er Österreichs Banken "im gesunden europäischen Mittelfeld". Die Zahlen dazu: Die CET-1-Ratio der RBI hat sich zum Halbjahr auf 13,8 Prozent (13,4 per Ende 2018) verbessert. Bei der Erste Group lag sie zur Jahresmitte unverändert bei 13,5 Prozent, in der Bawag lag die Quote per Ende Juni bei 15,1 Prozent (15,6 Ende 2018). Die Kernkapitalquote aller heimischen Banken zusammen liegt laut Deuba bei 15,6 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Quote 16,6 Prozent, in Frankreich 15,4 Prozent, in Italien 13,9 Prozent. "Österreich ist hier also gut positioniert", sagt Deuba.

Damit sei auch die Kritik an der Dividendenpolitik nicht zu verstehen. So lange Banken einen Spielraum haben, können Ausschüttungen vorgenommen werden. Gebe es hier Bedenken wegen unverhältnismäßig hohen Auszahlungen, würden die zuständigen Aufseher Alarm schlagen.

Die Eigenkapitalausstattung wird für Banken künftig noch zu einem größeren Thema. Kommt das Regelwerk Basel IV so wie derzeit geplant, müssten Unternehmensbeteiligungen mit mehr Eigenkapital (250 Prozent statt bisher 100 Prozent) unterlegt werden. Das erhöht freilich den Kapitalbedarf bei Banken, wenn sie ihre Beteiligungen behalten wollen. Heinrich Schaller, Chef der RLB OÖ, sagte diesbezüglich kürzlich, dass diese Vorgabe in der Eigenkapitalquote "nicht Kommaprozentpunkte kosten würde, sondern Prozentpunkte".(Bettina Pfluger, 22.8.2019)