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Kläranlagen entfernen einen Großteil der Plastikpartikel aus dem Leitungswasser. Im Mineralwasser ist der Anteil hingegen deutlich höher.

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Im Jahr 2017 sind weltweit rund 348 Millionen Tonnen Plastik, ohne Berücksichtigung der Produktion von Fasern, angefallen.

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Genf – Die Vorkommen von Mikroplastik im Trinkwasser und dessen etwaige Auswirkungen auf die Gesundheit müssen nach Überzeugung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch viel genauer untersucht werden. Das gelte für die Verbreitung dieser Partikel und auch für die Risiken, teilte die WHO am Mittwoch in Genf mit.

"Basierend auf den begrenzt verfügbaren Informationen scheint Mikroplastik im Trinkwasser auf dem jetzigen Niveau kein Gesundheitsrisiko darzustellen", so die WHO-Expertin Maria Neira. Andere Verunreinigungen des Wassers seien aus heutiger Sicht wesentlich bedeutsamer, sagte WHO-Experte Bruce Gordon. Es gelte in jedem Fall, die Wissensbasis zu erweitern und vor allem das Wachsen des weltweiten Plastikmüllbergs zu stoppen. "Mikroplastik ist überall in der Umwelt, auch im Wasserkreislauf", heißt es in dem WHO-Report.

Eine Scheckkarte pro Woche

Jüngst hatte ein Forscherteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven berichtet, dass Mikroplastikteilchen im Schnee aus der Luft auf die Erdoberfläche rieseln – selbst in der abgelegenen Arktis. Die winzigen Teilchen werden in der Atmosphäre transportiert und können so über weite Strecken verteilt werden.

Menschen nehmen nach Angaben australischer Forscher täglich Mikroplastik zu sich – durch Nahrung, also die Absorption über den Darm, Trinkwasser oder durch bloßes Atmen. Bis zu fünf Gramm der winzigen Teilchen kommen, abhängig von den Lebensumständen, pro Woche in den Körper – das ist Mikroplastik mit dem Gewicht einer Kreditkarte. Die Untersuchung basiert auf Daten zu Mikroplastik – also Teilchen kleiner als fünf Millimeter – in der Atemluft, im Trinkwasser, in Salz, Bier und in Schalentieren.

Lückenhafte Studien

Woher das Mikroplastik im Trinkwasser im Detail stammt, ist oft unklar. Wichtige Quellen seien Regen-, Schmelz- und Abwasser. Insgesamt seien die verfügbaren Studien aber zu lückenhaft, um das jeweilige Ausmaß dieser Zuflüsse genauer zu bestimmen oder die Quellen noch exakter zu erfassen, so die WHO. "Darüber hinaus kann eine Verschmutzung auch bei anderen Prozessen wie der Behandlung, der Verteilung und dem Abfüllen passieren."

Im Jahr 2017 seien weltweit rund 348 Millionen Tonnen Plastik, ohne Berücksichtigung der Produktion von Fasern, angefallen. Diese Menge werde sich angesichts des Bevölkerungswachstums, des Verbrauchs und des Wegwerfverhaltens bis 2025 verdoppeln und bis 2050 wohl verdreifachen, schätzt die WHO. Der Markt sei riesig. Allein in Europa stellten 60.000 Firmen mit 1,5 Millionen Beschäftigten und einem Umsatz von 355 Milliarden Euro Plastik her.

Mit einer fachgerechten Reinigung könne das Abwasser von 90 Prozent des Mikroplastiks gereinigt werden. Das gelte auch für die Behandlung von Trinkwasser, so die WHO weiter. Das Problem sei, dass ein großer Teil der Weltbevölkerung aktuell nicht in den Genuss einer adäquaten Wasser- und Abwasserbehandlung komme.

Ruf nach mehr Forschung

Den Ruf nach mehr Forschung insbesondere bei der möglichen Wirkung von Mikroplastik über 150 Mikrometer teilt auch der Umweltmediziner Hanns Moshammer von der Medizinischen Universität Wien. "Gesunde Haut oder Schleimhaut stellt tatsächlich eine recht effiziente Barriere gegenüber größeren Teilchen dar." Forschungsbedarf bestehe aber zum Barriereverhalten von erkrankter Haut oder Schleimhaut – zum Beispiel nach Verletzungen oder bei Entzündungen. Zudem, so Moshammer: "Für den Menschen ist der wichtigste Aufnahmepfad für Mikroplastik derzeit sicher nicht das Wasser, sondern Kosmetika und Zahnpasten, wobei ich unmittelbare Gesundheitsrisiken hier eher ausschließen würde."

Von Plastik jedweder Größe gehen durch Pigmente, Härter und Weichmacher zudem auch "chemische Gefahren" aus, so Moshammer. Diese Inhaltsstoffe können aus dem Plastik austreten. "Wegen der größeren relativen Oberfläche im Vergleich zum Volumen erfolgt dieser Austritt aus kleineren Teilchen zwar prinzipiell einfacher als aus großen Plastikteilchen. Bei engem Kontakt, zum Beispiel bei Plastikflaschen mit Getränken oder Lebensmitteln, kann der Übertritt jedoch auch aus großen Plastikobjekten relevant sein", so der Umweltmediziner.

Wenig Plastik in Leitungswasser

"Sehr wahrscheinlich nehmen wir nur wenig Mikroplastik über Leitungswasser auf, wenn man es mit anderen potenziellen Quellen, also anderen Lebensmitteln und Luft, vergleicht", sagt Martin Wagner von der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) in Trondheim. In zwei Studien wurden zwischen 300 und 6.000 Partikel Mikroplastik pro Liter Mineralwasser gefunden. Verglichen dazu wurden in deutschem Leitungswasser beispielsweise 0.0007 Partikel pro Liter nachgewiesen. In Österreich dürfte es ähnlich sein.

Es sei davon auszugehen, dass Kläranlagen den Großteil der Plastikpartikel entfernen. "Das Problem hierbei ist allerdings, dass sich das Mikroplastik dann im Klärschlamm befindet und wieder in die Umwelt gelangt, wenn der Klärschlamm zur Düngung in der Landwirtschaft verwendet wird." Auch Moshammer von der Med-Uni Wien hält Mikroplastik primär für eine Gefahr für Ökosysteme und nicht für die menschliche Gesundheit. Über letztere könne man jedenfalls noch keine generellen Aussagen machen, so Wagner. (APA, red, 22.8.2019)