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Georg Pichler/DER STANDARD
Georg Pichler/DER STANDARD

Mit seinem neuen Dienst Stadia steigt Google groß in den Bereich der "Games on Demand" ein. Aktuelle Toptitel sollen künftig per Stream gespielt werden. Das große Versprechen des Abodienstes für zehn Euro pro Monat: Die Hauptarbeit erledigen die Server des Unternehmens, der Nutzer benötigt nur eine einigermaßen schnelle Breitbandverbindung. So sollen Installationszeiten der Vergangenheit angehören, Ladezeiten minimiert werden und selbst aktuelle Toptitel überall laufen. Die Notwendigkeit nach einem Gaming-PC oder einer leistungsstarken Konsole entfällt, so jedenfalls die Vision des Angebots, mit dem man die Zukunft des Videospielens ausrufen möchte.

Selbst am Multimedia-Laptop oder gar Smartphones und Tablets soll man zocken können. Diverse große Publisher sind bereits an Bord, das Portfolio reicht von Bethesdas kommendem Doom Eternal bis hin zum im kommenden Jahr erscheinenden Hypegame Cyberpunk 2077. Allerdings wirft das Gamestreaming auch Fragen auf. Wie sieht es mit der Grafik aus, wenn das Spiel als komprimiertes Videosignal über das Netz kommt? Wie verhält es sich mit den Latenzzeiten, wenn man Game, das schnelle Reaktion erfordert, auf einem Rechner in der Google-Cloud spielt? DER STANDARD konnte sich auf der Gamescom einen ersten Eindruck verschaffen.

Google

Flotte Schlägerei in "Mortal Kombat"

Auf der weltweit besucherstärksten Spielemesse in Köln war Stadia prominent vertreten. Doom Eternal und Mortal Kombat 11 liefen auf den Rechnern, vor denen Besucher und Medienvertreter anstanden. Wie es der Zufall so wollte, konnte der Autor dieser Zeilen nach geduldigem Anstellen 15 Minuten lang das blutige Beat’em’up gegen einen anderen Besucher ausprobieren (und sich in drei Kämpfen eine Gesamtbilanz von 2:1 sichern, aber das nur als Randnotiz).

Spielerisch war das Erlebnis kaum von einer Partie im Hotseat-Modus mit einer lokal installierten Version auf PC oder Konsole unterscheidbar. "Input-Lag", also verzögerte Umsetzung von Steuerkommandos am Bildschirm, war subjektiv nur minimal und ausschließlich für kurze Momente jeweils zu Kampfbeginn wahrnehmbar. Ob dieser subjektive Eindruck tatsächlich zutrifft oder schlicht aufgrund des getesteten Dienstes eine Fehlwarnehmung war, ließ sich nicht feststellen, da es keinerlei Anzeige hinsichtlich der Latenz oder Framerate gab. In jedem Fall waren trotzdem direkte Konter auf gegnerische Attacken möglich.

Stadia

Kaum Grafikeinbußen

Grafisch war auf den ersten Blick auch kein Unterschied wahrnehmbar. Insbesondere in Bewegung wäre es unseriös zu sagen, die gestreamte Fassung von einer direkt am Gerät installierten Version unterscheiden zu können. Einzig bei Standbildern und sehr langsamen Bewegungen – bei Mortal Kombat 11 – werden bestimmte Treffer in Zeitlupe dargestellt, fielen Kompressionseffekte in Form kleinerer, verwaschener Details und Kanten auf. Nach diesen muss man allerdings schon gezielt Ausschau halten, um sie zu erkennen.

Loben darf man auch den Stadia-Controller. Die Google-Eigenentwicklung liegt gut in der Hand, wirkt solide verarbeitet und liefert mittelstarken Widerstand auf den Analogsticks. Die Knöpfe "wobbeln" nicht. Zum Steuerkreuz lässt sich mangels Nutzung nichts sagen. Voraussetzung für die Verwendung von Stadia ist dieser Controller nicht, er soll aber schnelleren Zugriff auf verschiedene Features des Dienstes ermöglichen. Einzig Spieler mit sehr großen Händen könnten sich mit dem Steuergerät etwas schwerer tun, er ist merklich kompakter als beispielsweise ein Xbox-Controller.

Festhalten muss man: Der Testlauf fand unter Idealbedingungen statt, zumal Google das komplette Setup aufgebaut hat. Es war unklar, ob die Server am Messegelände aufgebaut und direkt angebunden waren oder ob die Berechnungen über ein deutsches Rechenzentrum des IT-Riesen liefen.

Stadia

Guter Eindruck, aber...

Der erste Eindruck von Stadia fällt also positiv aus. Über die Tauglichkeit von Stadia unter "Haushaltsbedingungen" sagt er allerdings wenig aus. Für flüssige Darbietung in HD-Grafik soll laut Google eine Bandbreite von zehn Megabit pro Sekunde im Downstream ausreichen. 35 Mbit/s sollten es schon sein, wenn man das volle Programm mit 4K-Auflösung und HDR-Support möchte. Nach dem für November geplanten Start sollte schnell klar werden, wo es eventuell hakt.

Österreichischen Nutzern bleiben frühe Kinderkrankheiten des Dienstes erspart – was allerdings daran liegt, dass man hierzulande erst später an die Reihe kommt. Informationen für den Stadia-Start abseits der bestätigten Launchländer gibt es derzeit noch nicht. (Georg Pichler aus Köln, 22.08.2019)