Manche reden schon von einem begrüssenswerten Schwenk in der ÖVP. Der Exkanzler ohne parlamentarischem Vertrauen hat so manche ihm unangenehme Diskussion rund um türkise Glücksspiele oder pulverisierte Festplatten erfolgreich überlagert: eine "Einsicht" wird kommuniziert, die keine ist.

Wenn der Exkanzler nun also "zugesteht", dass Lehrlinge, die einen nicht positiv bescheideten Asylantrag gestellt hatten, nun doch nicht mehr aus der Lehre gerissen werden sollen, sondern gnadenhalber die Lehre fertig machen dürfen, dann sieht das nach einem Wahlgeschenk für die Wirtschaft aus. Aber es ist keines. Denn welches Unternehmen will Lehrlinge ausbilden, um sie dann umgehend zu verlieren? Denn, so der Exkanzler, wenn sie einen negativen Bescheid haben, dann sollen sie nach der Lehre natürlich abgeschoben werden.

Da steht dann bei der Überreichung des Lehrabschlusszeugnisses gleich die Fremdenpolizei im Saal und nimmt die Betreffenden "ab nach Schwechat"? Da durften Betriebe dann gnadenhalber in die Ausbildung von Fachkräften investieren, müssen aber dann zusehen, dass ihnen die fertigen Fachkräfte abgenommen werden?

Foto: APA/HANS PUNZ

Schlucken wir die Beruhigungspille

Der Vorschlag des Exkanzlers ist nicht nur ein leicht durchschaubarer Beschwichtigungsversuch, sondern rasch als Verkürzung der Wahrheit und Schwindelmanöver enttarnt.

Während verzweifelt Fachkräfte in Fernost oder sonst wo auf der Welt rekrutiert werden sollen, weil sie wohl zu den "guten Ausländern" gehören, soll weiterhin Menschen, die aus Not, Elend und Krieg in unser Land gekommen sind, jede Möglichkeit zu einer Ausbildung verwehrt bleiben? Die Ausländer zweiter und dritter Klasse sollen zu spüren bekommen, dass hier nicht der Verstand, sondern der nackte Populismus regieren will.

Mag sein, dass sich manche davon ablenken lassen, dass genau er es war, der die Rechtsextremen in die Regierung geholt hat, der einen Innenminister Kickl wüten ließ und der weggesehen hat, wenn junge Menschen aus ihren Schulen, Arbeitsplätzen und Unterkünften geholt und in mitunter in lebensgefährliche Umgebungen zurückdeportiert wurden. Es war dieser Exkanzler, der schon lange vorher die "grausamen Bilder" beschworen hatte, ohne die es nicht gehen würde. Es war dieser Exkanzler, der all diese Unmenschlichkeit als Anbahner und Ermöglicher, ja auch als Mittäter zu verantworten hat.

Das, was der Exkanzler hier als Beruhigungspille verbreiten will, ist in jedem Fall eine populistische Mogelpackung ohne jegliche aufrichtige Haltung. Typisch Exkanzler: Viel zu kurz. (Bernhard Jenny, 23.8.2019)

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