Getroffen und nicht getroffen: Schrödingers Raumschiffe.

Illustration: Magdalena Zych

Die Vereinigung von Quantenmechanik und Relativitätstheorie gilt als eine der größten Herausforderungen der Physik. Einem internationalen Team unter Beteiligung der Universität Wien ist es nun gelungen, wichtige Bestandteile der beiden Theorien, die den Verlauf der Zeit beschreiben, zu verbinden. Sie fanden heraus, dass die zeitliche Abfolge von Ereignissen echte Quanteneigenschaften aufweisen kann, schreiben sie im Fachblatt "Nature Communications".

Laut Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie beeinflussen massereiche Objekte den Verlauf der Zeit. So tickt eine Uhr etwa in der Nähe eines Planeten langsamer als eine, die sich in großer Entfernung dazu befindet. In der Quantentheorie wiederum finden Ereignisse zwar auf einer fixen Zeitskala statt. Allerdings erlauben es die Gesetze der Quantentheorie, dass ein beliebiger Körper in einem Superpositionszustand gebildet werden kann. Im Superpositionszustand befindet sich ein Körper "gleichzeitig" an zwei Orten.

Planet im Superpositionszustand

In ihrer aktuellen Studie beschäftigen sich Caslav Brukner von der Fakultät für Physik der Universität Wien sowie dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und seine Kollegen nun mit der Frage, was passiert, wenn ein massereiches Objekt, das den Verlauf der Zeit beeinflusst, sich auch in einem solchen Überlagerungszustand befindet. "Wie wir zeigen, lassen sich so auch kausale Zusammenhänge in eine Überlagerung bringen", sagte Brukner.

Zur Veranschaulichung dient ein Beispiel aus dem Bereich der Science Fiction: Angenommen, zwei Raumschiffe hätten den Auftrag, eine militärische Übung auszuführen und zu einem vorher vereinbarten Zeitpunkt aufeinander zu feuern und unmittelbar danach abzudrehen, um dem Schuss des Gegenübers auszuweichen. Beide Raumschiffe richten sich jeweils nach ihrer eigenen Borduhr, die allerdings durch die Masse eines nahen Planeten beeinflusst sein könnte. Das Raumschiff, das sich näher am Planeten befindet, würde dann etwas zu spät ausweichen und deshalb vom anderen getroffen werden.

Anwendungspotenzial im Quantencomputer

Befände sich der Planet jedoch in einem Überlagerungszustand, wäre nicht mehr feststellbar, welche der beiden Borduhren langsamer läuft. Damit würde auch der kausale Zusammenhang zwischen Zeitmessung, Schuss und Zerstörung in einen Überlagerungszustand geraten und beide potenzielle Ausgänge – die Zerstörung des einen oder des anderen Schiffes – wären gleichermaßen real.

"Entscheidend dabei ist, dass man nicht nachsieht, welches Schiff zerstört wurde", erklärte Brukner. "Denn dann würde der Überlagerungszustand zusammenbrechen und wäre nicht mehr nutzbar." Der "Nutzen" bezieht sich natürlich nicht allein auf das Gedankenexperiment mit den zwei Raumschiffen. Vielmehr sieht Brukner in dem Prinzip Potenzial für die Weiterentwicklung von Quantencomputern. Diese nutzen die Gesetzmäßigkeiten der Quantenmechanik und wären so theoretisch in der Lage, Probleme zu lösen, an denen klassische Rechner zwangsläufig scheitern.

Auf Basis der neuen Theorie könnten in Zukunft auch die zeitlichen Reihenfolgen von Rechenoperationen in Quantencomputern in Überlagerung gebracht werden, was die Effizienz der Geräte noch weiter steigern könnte. "Gewisse Probleme wären so schneller lösbar als mit herkömmlichen Quantencomputern", sagte Brukner. (red, APA, 26.8.2019)