Vor rund 180 Frauen im offenen Diskurs (von rechts): Cattina Leitner (Aufsichtsrätin ÖBB Holding AG), Agnes Kienast (Aufsichtsrätin ÖBB Personenverkehr AG), Silvia Angelo (Vorständin ÖBB Infrastruktur AG), Lisa-Maria Faller (Robotik-Professorin Fachhochschule Kärnten), Maria Pfeifer (Ars Electronica Future Lab), Verena Fuchsberger-Staufer (Uni Salzburg).

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Wenn ein Unternehmen Hirn und Herz – neudeutsch Commitment – der Mitarbeiterinnen will, dann hat die Führung keine andere Chance, als "ins Risiko" zu gehen – das heißt sich dem Diskurs mit einem gesamtheitlichen, persönlichen Einsatz und ergebnisoffen zu stellen. Das Netzwerktreffen der weiblichen ÖBB-Führungskräfte hat das in dieser Woche exemplarisch und deutlich gezeigt.

Was da in zwei Stunden passiert und entsteht, ist tatsächlich spannend. Das Arbeitstreffen trug den Titel "Wie intelligente Maschinen unsere Mobilität verändern". Da gibt es ja viel zu berichten – von Roboterhotels und -restaurants in Japan, selbstfahrenden Lkws im Bergbau in Australien und der Testung von Wasserstoffantrieb inklusive selbstgesteuertem Transport in Österreich – und somit viel Stoff für einen "Innovationstalk" zum berauschenden Fortschritt.

Und was wollen wir?

Tatsächlich zutage trat, was Mitarbeiterinnen als Menschen bewegt, nicht bloß funktionstechnische Fragen, etwa wie eine Reise via Handy im internen Prozessmanagement abgewickelt werden wird und was ein humanoider Roboter vielleicht in einem Wiener Bahnhof tun muss, um den Gästen die Zeit zu vertreiben. Es ging um Interdependenzen, um das Wenn-dann, um Technikfolgenabschätzung, um Zielkonflikte wie Profitmaximierung versus Klimaneutralität und um die Frage nach den persönlichen Skills, darum, möglichst die richtigen Fragen zu stellen; es wurde gerungen um die Balance zwischen Roboterfreunden und Menschen, arbeitsplatz- sowie beziehungsverdrängenden Maschinen, die noch dazu den Energiehunger exponentiell befeuern.

Da reichen schlichte Parolen wie "die Digitalisierung ist die Superchance für Frauen" oder "rechtliche und ethische Rahmen werden sich schon gut entwickeln" nicht aus. Da geht es um mehr – und da genügen dann auch keine vermeintlich "starken" Führungsparolen, wonach mit Innovationsführerschaft schon alles gut werden wird.

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Mitarbeiterinnen fordern Antworten ein, mutige Führungskräfte geben sie auch. Manchmal als Eingeständnis, es nicht zu wissen.
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Mitarbeiterinnen wollen möglichst gut entscheiden können, auf welchem Weg sie mitgehen – und sie fordern Antworten ein auf Fragen wie: Wie wollen wir gemeinsam leben, und was wollen wir den nächsten Generationen hinterlassen? Und: Was ist dabei meine Rolle? Diese Fragen müssen beantwortet werden. In allen Unternehmen.

Wenn schon immer Mut eingefordert wird als eine oberste Leadership-Tugend, dann ist ein solches offenes Setting dafür wohl der Lackmustest. Plus eine steile Lernkurve, etwa: Mitarbeiterinnen in ihren Ansprüchen an Werte und Unternehmensstrategien zu unterschätzen ist eine sehr schlechte Idee. Dass alles in einiger Harmonie endet, ist eine ganz falsche Erwartung.

Nicht einer Meinung

Auch wenn es um Frauenteilhabe geht: Widersprüchliche Entwicklungen passieren parallel, wie Maria Pfeifer, Key-Researcherin im Future Lab der Ars Electronica, es ausdrückt. Sie appelliert auch, diese Entwicklungen mit einer Spur Lockerheit zu betrachten. "Wenn jetzt Sozialkompetenzen gefragt sind und ein konservativer Personaler sagt: Gut, dann nehmen wir eine Frau, weil Frauen sind sozial – okay, warum nicht?" Dann braucht man sich ja nicht dauernd über Zuschreibungen aufzuregen. Warum sollte das im Maschinenzeitalter nicht dazu dienen, Frauen zu befördern?

Silvia Angelo, Vorständin in der ÖBB Infrastruktur, muss intervenieren: Sie sei älter und nicht mehr so optimistisch, von selber passiere gar nix, und die Geschichte von sozialen Kompetenzen höre sie seit Jahrzehnten. "Wenn wir so weitergehen, erleben nicht einmal meine Großenkel Gleichstellung. Digitalisierung ist eine Möglichkeit, um aus der physischen Debatte rauszukommen – aber keine Selbstverständlichkeit. Ich erlaube mir, abgeklärter zu sein", so die Vorständin im größten heimischen Ausbildungsbetrieb für technisches Personal.

Pfeifer bleibt dabei: Maschinen schaffen Arbeit für Menschen, von der Wartung bis zur Verbindung, der Sozialkompetenz. Nur über Ersetztwerden zu reden sei nicht einmal Teil der Entwicklung. Und konkret für die Einzelne? Auf viele Fragen antwortet das Podium: "Wenn ich das ganz genau wüsste ...". Dass apropos Klimaproblem viele Themen trotz Attraktivierung der Bahn – Stichwort Güterverkehr in Europa – ungelöst sind: Ja.

Nicht gescheiter als alle

In diese Situation kommen Topführungskräfte und ausgewiesene Expertinnen mit langer Publikations- und Auszeichnungsliste, wenn sie es zulassen. Und schaffen damit eine neue, moderne, Unternehmenskultur, ermutigen, gemeinsam neue Bilder zu kreieren, sich gemeinsam als Gestalterinnen zu sehen.

Als für die Strategie zuständige Aufsichtsrätin in der ÖBB Holding sagt Cattina Leitner: Digitalisierung sei eine wunderbare Chance, Dinge in Gang zu bringen, auch die Gleichstellung sei für die ÖBB und für das Land zentral. Bremsen würden solcherart gelöst. Dazu gehöre die Digitalisierungsbildung allerdings schleunigst schon in die Kindergärten. Es gehe um Qualitätssteigerung, nicht um Gutes für Frauen.

Illusionen über global gesehen abwägenden Technikeinsatz mit Blick auf die endlichen Ressourcen brauche man sich – sinngemäß – allerdings nicht machen: "Was technisch machbar ist, wird gemacht werden." Sie glaube aber an Parlamente, sie glaube an Teilhabe. National Progress verhindern zu wollen sei keine brauchbare, zukunftsweisende Lösung. (Karin Bauer, 26.8.2019)