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Prinz Andrew steht wegen seiner Freundschaft zu Jeffrey Epstein in der Kritik.

Foto: REUTERS/Toby Melville

In London vergeht derzeit kein Tag ohne Schlagzeilen über Prinz Andrew. Täglich berichten Boulevardblätter und seriöse Medien gleichermaßen über die Affäre Jeffrey Epstein. In keinem Bericht fehlt der Hinweis auf Andrew, den Lieblingssohn von Königin Elizabeth II, der zu Beginn des Jahrhunderts eine enge Freundschaft mit dem Finanzjongleur pflegte. Daran änderte auch Epsteins Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen nichts. Der 66-Jährige hatte vor knapp zwei Wochen in New Yorker Untersuchungshaft Suizid begangen.

Der Herzog von York (59) lernte Epstein Ende des vergangenen Jahrhunderts auf Vermittlung von Ghislaine Maxwell kennen. Der Tochter des als Millionenbetrüger diskreditierten einstigen Zeitungszaren Robert Maxwell werfen mehrere Frauen vor US-Gerichten vor, sie habe dem Multimillionär regelmäßig junge Frauen als Sexualpartnerinnen zugeführt und dabei als eine Art Zuhälterin agiert. Maxwell bestreitet alle Vorwürfe.

Massage in Epsteins Villen

Den Prinzen beherbergte Epstein mehrfach in seinen Villen, wo sich Andrew gern massieren ließ. Der vermögende Freund wurde 2008 wegen Sexualdelikten zu 18 Monaten Haft verurteilt – um offenbar schwerere Anklagepunkte, die damals fallengelassen wurden, ging es bei dem neuerlichen Verfahren, wegen dem Epstein nun erneut in Untersuchungshaft saß.

Dass Andrew nach dessen Haftentlassung den Kontakt mit Epstein weiterpflegte, ja demonstrativ mit seinem Freund in New Yorks Central Park spazieren ging, sorgte schon vor einigen Jahren für einen Sturm der Entrüstung auf der Insel. Die Loyalität zu seinem Freund verstärkte damals bei altgedienten Royal Watchers den Eindruck, es gebe im Oberstübchen des Herzogs "keine nennenswerte mentale Aktivität", wie ein bösartiger Tory lästert. Dass Andrew im Frühjahr 2011 nach zehn Jahren zum Rücktritt als offizieller Handelsbeauftragter Großbritanniens gezwungen wurde, ging neben Kontakten mit dubiosen arabischen Despoten auch auf die Epstein-Connection zurück.

"Zur Sexsklavin gemacht"

Alle Vorwürfe eigener Verwicklung in die unappetitlichen oder gar kriminellen Sexualaffären seines Freundes hat der Prinz stets energisch bestritten. Dazu gehörte auch die Privatklage einer inzwischen erwachsenen Mutter von drei Kindern: Sie sei als 17-Jährige von Epstein "zur Sexsklavin gemacht" und zum Sex mit dem Prinzen gezwungen worden, hieß es in der Klagebegründung von Virginia Roberts, die in West Palm Beach (Florida) eingereicht wurde. Das Gericht beschrieb die Vorwürfe als "unerheblich und unverschämt".

Dem Testamentsvollstrecker zufolge hat Epstein Immobilien, darunter zwei Privatinseln, Aktien und andere Wertsachen im Gesamtwert von 577,6 Millionen Dollar (520,4 Millionen Euro) hinterlassen. Als Haupterbe gilt sein Bruder Mark. Allerdings machte Epstein zwei Tage vor seinem Freitod im New Yorker Gefängnis ein neues Testament zugunsten einer Treuhandgesellschaft auf den Jungferninseln, einer notorischen Steueroase in der Karibik.

Verabschiedung an Epsteins Tür

Im Zuge der Berichterstattung über den diskreditierten Geschäftsmann tauchte diese Woche auch ein Video von 2010 auf. Es zeigt den Prinzen an der Tür von Epsteins New Yorker Haus bei der Verabschiedung einer blonden Frau. Dabei soll es sich um eine Tochter des früheren australischen Premierministers Paul Keating handeln.

Dass die Londoner Medien die jetzt wieder hochgekochte Epstein-Affäre breittreten, steht in Kontrast zur sonst pfleglichen Behandlung des Königshauses. Die Reputation des Herzogs von York, glaubt der der königstreue "Daily Telegraph", sei "wahrscheinlich unwiderruflich beschädigt". (Sebastian Borger aus London, 22.8.2019)