Ihre eintönige Ernährung kann den Beutelsäugern zum Verhängnis werden.
Foto: University of Queensland

Was alles sich in unserem Darm abspielt, ist noch lange nicht geklärt – Forscher interessieren sich aber in zunehmendem Maße dafür, denn die Billionen von Bakterien, die dort leben, sind keineswegs nur für die Verdauung relevant. Wissenschafter finden immer mehr Belege dafür, wie die spezifische Zusammensetzung unserer Darmflora auf unterschiedlichste Prozesse unseres Körpers wirkt. Sie beeinflusst offenbar sowohl unsere physische wie auch die psychische Gesundheit.

Angesichts dieses Befunds steigt auch das medizinische Interesse an einer auf den ersten Blick eher ungustiösen Behandlungsform – der Fäkaltransplantation. Gemeint ist tatsächlich die Übertragung vom Stuhl eines gesunden Spenders in den Darm eines Patienten, um die dortige mikrobielle Zusammensetzung günstig zu beeinflussen. Das funktioniert nicht nur beim Menschen: Etliche Versuche zeigen, dass sich die komplexe Lebensgemeinschaft im Darm auch auf andere Säugetiere auswirkt und künstlich verändern lässt.

Unflexible Eukalyptus-Enthusiasten

Bislang ging es dabei freilich meist darum, Krankheiten zu erforschen und neue Behandlungsoptionen zu finden. Ein australisches Forscherteam lässt nun mit einem anderen Vorschlag aufhorchen: Sie raten an, bedrohte Koalas mithilfe von Kottransplantationen zu anpassungsfähigeren Blätterfressern zu machen und so ihre Überlebenschancen zu erhöhen.

Bis zu 400 Gramm Eukalyptusblattwerk verdrückt ein ausgewachsener Koala täglich.
Foto: APA/AFP/dpa/MARIUS BECKER

Am Beginn der Studie, die Michaela Blyton von der University of Queensland und Kollegen im Fachblatt "Animal Microbiome" veröffentlichten, stand die Beobachtung einer Koala-Katastrophe in einem Nationalpark im australischen Bundesstaat Victoria: Im Jahr 2013 war die dortige Koala-Population stark angewachsen, wodurch die bevorzugte Nahrungsquelle der Beutelsäuger immer knapper wurde – der Rutenförmige Eukalyptus (Eucalyptus viminalis). Die Tiere sind als Nahrungsspezialisten bekannt, sie ernähren sich zum absoluten Großteil von Eukalyptusblättern. Davon gibt es aber unterschiedliche Arten.

Zur Überraschung der Biologen wichen die Koalas jedoch auch in der größten Not nicht auf andere Eukalyptusarten aus, zu denen sie Zugang gehabt hätten. Die Folge war dramatisch: "Es kam zu einer Sterblichkeitsrate von 70 Prozent", sagt Blyton. "Obwohl die Tiere am Verhungern waren, fraßen sie keine Blätter anderer Eukalyptusbäume, obwohl sich andere Koala-Populationen sogar ausschließlich von diesen ernähren."

Exkrement-Experiment

Das brachte Blyton und ihre Kollegen auf eine Idee: Was, wenn die Zusammensetzung der Darmflora ausschlaggebend dafür ist, welche Eukalyptusarten die jeweiligen Koalas verdauen können und welche nicht? Und könnten die gefährdeten Tiere durch eine Veränderung ihrer Darmflora womöglich ein bisschen mehr zu Eukalyptus-Generalisten werden?

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Neben der Blättersuche steht vor allem eines auf der Agenda der australischen Beutelsäuger: schlafen.
Foto: Reuters/ARND WIEGMANN

Für ihre Studie fingen die Biologen vorübergehend wildlebende Koalas ein, die sich ausschließlich vom Rutenförmigen Eukalyptus ernähren. Im nächsten Schritt sammelten sie Kot von einer anderen Koala-Population, die wiederum die Art Eucalyptus obliqua bevorzugt. Im Labor analysierten die Forscher dann die Darmbakterien beider Populationen und stellten in der Tat eindeutige Unterschiede fest.

Veränderte Darmflora

Also konzentrierten die Forscher die Mikroorganismen aus den Kotproben der einen Population und fabrizierten daraus Kapseln, die sie wiederum den Koalas der anderen Gruppe verabreichten. Fortlaufende Untersuchungen zeigten Wirkung: Die Darmflora der Koalas, die die Kotkapseln erhalten hatten, veränderte sich – und damit auch ihr Appetit auf die ungewohnte Eukalyptusart. Auch wenn die Tiere in dem 18-tägigen Versuch weiterhin die Blätter ihres traditionellen Baums bevorzugten, schienen sie den anderen Eukalyptus nun besser zu vertragen.

In Zukunft könnten Fäkaltransplantationen eingesetzt werden, um die Mikrobiome von Koalas an die jeweiligen Gegebenheiten ihrer Umgebung anzupassen, schreiben die Forscher. Für den Schutz der in Teilen Australiens bedrohten Beutelsäuger, deren Lebensräume immer fragmentierter sind, wäre das ein ungewöhnlicher, aber großer Schritt. (David Rennert, 24.8.2019)