Wissenschafter haben erforscht, wie sich solche und ähnliche Nachrichten im Netz ausbreiten, und stießen dabei auf hunderte Netzwerke und Netzwerkknoten.
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Washington/Wien – Die sogenannten sozialen Medien sind oft genug ziemlich asozial: Facebook, Twitter, Instagram und Co verbreiten nicht nur falsche Gerüchte und andere Fake-News; die Kanäle werden auch für die Verbreitung extremistischer Weltanschauungen genützt und mit Hass geflutet. In den vergangenen Monaten schlug diese Eskalation der Worte immer wieder in terroristische Taten um, man denke nur an die Attentate in El Paso, Orlando, Portland oder Christchurch.

Längst haben Plattformen wie Facebook und Twitter deshalb begonnen, die Verbreitung solcher Inhalte und einschlägige Hassprediger zu sperren. Doch das Blockieren von rassistischen und antisemitischen Gruppen erweist sich meist als ineffizient, da die Gruppen kurze Zeit später wieder unter neuem Namen auftauchen. Zudem gibt es Foren wie 8chan, die schwer zu kontrollieren sind.

Neue Netzwerkanalysen

Forscher um den Physiker Neil Johnson (George Washington University in Washington D.C.) wollten auf Basis von Netzwerkanalysen eruieren, warum dieser Hass so widerstandsfähig ist und wie man ihn besser bekämpfen kann. Dafür nahmen sie rassistische und rechtsextreme Gruppen auf Facebook und dem Netzwerk vk.com (ursprünglich: VKontakte) unter die Lupe, das in Russland und Teilen Mitteleuropas verbreitet ist.

Nachdem die Forscher zunächst Cluster von Hassinhalten identifiziert hatten, suchten sie von dort aus nach Knotenpunkten zu weiteren Hass-Clustern und wurden dabei hundertfach fündig, wie sie im Fachblatt Nature berichten. Diese "Datenautobahnen des Hasses" und ihre Knotenpunkte überschreiten dabei ohne weiteres Länder-, Sprach- und Plattformgrenzen (also von Facebook zu VK und retour) und operieren weltweit.

"Hassautobahnen" und ihre Knotenpunkte in sozialen Medien umspannen längst den gesamten Globus. In Europa (unten herausgezoomt) ist das "Ökosystem des Hasses" besonders komplex.
Grafik: Neil Johnson et al., Nature 2019

Eine besonders komplexe "Hassökologie" fanden die Forscher in Europa, wo sich in Neonazi-Netzwerken auch Hassnachrichten von Mitgliedern aus den USA, Kanada oder Australien, aber auch Inhalte über popkulturelle Phänomene finden. Laut Johnson erleichtert diese inhaltliche Diversität den Gruppen, an andere Plattformen anzudocken und neue Mitglieder oder Sympathisanten zu rekrutieren.

Strategien gegen den Hass

Schließlich haben die Forscher auch einige Strategien identifiziert, die besser als bisherige Maßnahmen die Ausbreitung des rechten Hasses verhindern könnten. So wie ihre Analysen bleiben allerdings auch die vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen etwas abstrakt.

So sollten Netzwerkbetreiber versuchen, möglichst viele kleinere Hass-Cluster zu blockieren und zu verbieten, um den größeren Netzwerken Nachschub zu entziehen. Ähnliches sollte mit einem kleinen Teil der Nutzer passieren. Drittens schließlich könnten Plattformmanager gezielt Anti-Hass-Gruppen einrichten und dafür entsprechend engagierte Nutzer mobilisieren.

Besonders raffiniert wäre es schließlich, Cluster innerhalb des Hassnetzwerks gegeneinander auszuspielen, da sich Hassgruppierungen in einzelnen Punkten diametral gegenüberstehen – etwa die Vertreter eines "vereinigten weißen Europas" und jene Rechten, die von einer Einheit Europas gar nichts halten. Würde es gelingen, diese Gegensätze zu stärken, so Johnson, könnte auch das die Hassnetzwerke schwächen. (Klaus Taschwer, 23.8.2019)