Im November 2018 wurde von der ÖVP-FPÖ-Regierung ein Kopftuchverbot für Kindergartenkinder, im Mai 2019 eines für Volksschülerinnen beschlossen.

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Wien – Der ÖVP-Vorstoß für eine Ausweitung des Kopftuchverbots auf die Unterstufe und Lehrerinnen hat bei der Liste Jetzt, FPÖ, SPÖ, Neos und der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) heftige Kritik ausgelöst. IGGÖ-Präsident Ümit Vural reagierte mit "Bedauern und Besorgnis". Die Muslime in Österreich seien als politische Zielscheibe einiges gewohnt, und der aktuelle Wahlkampf scheine wieder in diese Richtung zu gehen.

Die IGGÖ sei gegen Verbote, so Vural. Das Kopftuch sei Teil der muslimischen Religion. Die Politik würde aber Maßnahmen setzen, um "Schritt für Schritt das Leben der Muslime zu erschweren". Er appellierte an die Verantwortlichen, "keinen Wahlkampf auf dem Rücken der muslimischen Frauen zu machen".

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Verdacht der Ablenkung

Der Spitzenkandidat der Liste Jetzt, Peter Pilz, bezeichnet den Vorstoß als "billige Ablenkung von den Ibiza-Verwicklungen und Spendenaffären der ÖVP." Er empfindet eine Sondersitzung des Nationalrats momentan als dringender. In dieselbe Kerbe schlägt Wiens Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ): "Mit langjährigen freiheitlichen Forderungen auf Wählerfang zu gehen scheint für Blümel die einzige Möglichkeit zu sein, den bitteren Beigeschmack der unsauberen Spendenstückelung loszuwerden", erklärte Nepp in einer Aussendung. Das Kopftuchverbot bezeichnete er als eine langjährige freiheitliche Forderung.

Pilz zeigte sich bereit, in aller Ruhe über die Trennung von Religion und Staat zu reden. "Wir sind für ein Verbot aller religiösen Symbole aus dem gesamten öffentlichen Dienst." Er sieht außerdem einen Zusammenhang zwischen der Zunahme religiöser Symbole und den wachsenden Konflikten an Schulen: "Wir wollen eine Schule, in der alles getan wird, damit religiöse Konflikte ferngehalten werden. Das geht am besten, wenn auch über die Symbole klargestellt wird, wo Religion in Österreich hingehört: in die Privatsphäre gläubiger Menschen", so Pilz.

"Themenverfehlung" und "Nebelgranate"

Auch die Neos sehen im ÖVP-Vorschlag "eine Themenverfehlung der Sonderklasse". Mit einem Verbot des Kopftuchs allein sei das Thema Integration nicht abgehakt, sagte Neos-Bildungssprecher Douglas Hoyos. Er fordert den Ausbau der Ganztagsschule, Ethikunterricht für alle Schüler und ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr.

Für die SPÖ ist der jüngste ÖVP-Vorschlag eine "Wahlkampf-Nebelgranate." Ernsthafte Vorschläge müssten zuerst mit den Religionsgemeinschaften, den Bundesländern, Experten und Menschen aus der Praxis diskutiert werden, sagte der SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. Bevor man über weitere Schritte sprechen möchte, soll zuerst das Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zum jetzigen Kopftuchverbot abgewartet werden.

DER STANDARD hatte im Sommer 2018 zwei junge Frauen danach gefragt, weshalb sie Kopftuch tragen
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Bisherige Verbote

Die geplatzte türkis-blaue Regierung hat bereits zwei Kopftuchverbote eingeführt: Im November 2018 wurde es für Kindergartenkinder, im Mai 2019 für Volksschülerinnen beschlossen. Da in den Schulen die jüdische Kippa und die Patka der Sikhs ausgenommen wurden, wurde von vielen Seiten Diskriminierung beklagt. Die IGGÖ hat angekündigt, das mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ beschlossene Gesetz vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen.

ÖVP-Papier

Die ÖVP widmet einen Teil ihres Wahlprogramms dem Thema "Religion in der Schule". Die Vorschläge betreffen vor allem den islamischen Religionsunterricht und muslimische Schüler. Die ÖVP will auch die Unterrichtsmaterialien und die islamischen Privatschulen stärker kontrollieren und Religionslehrer nur noch an Pädagogischen Hochschulen ausgebildet haben. (APA, red, 23.8.2019)