In Biarritz kollidiert das Strandflair mit den Sicherheitsvorkehrungen für den militärisch abgeschotteten G7-Gipfel.

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Es ist seine Art des passiven Widerstandes: Nur mit einer Badehose bekleidet, das blaue Surfbrett unter dem Arm, schreitet der junge Mann durch die leeren Gassen der abgeriegelten Stadt. Die dröhnende Polizeistaffel auf Motorrädern, die seinetwegen am Fußgängerübergang halten muss, würdigt er keines Blickes.

Noch weniger die übrige Truppe, die aus Biarritz eine Festung macht. Drohnen und Hubschrauber, Boden-Luft-Raketen und eine Fregatte vor dem gesperrten Stadtstrand: Zu sehen ist das alles auf der Facebook-Seite "SOS G7 Biarritz" eines parteilosen Oppositionspolitikers. Rund 15.000 Abonnenten hat die Seite schon – bei knapp 25.000 Einwohnern.

Der blonde Surfer mit den Haarsträhnen hinter den Ohren verschwindet in Richtung Südstrand, vorbei an dunklen Männern mit dunklen Sonnenbrillen, die vor dunklen Lieferwagen auf Englisch in ihre an den Manschetten angebrachten Mikrofone murmeln. Nicht dass die "Biarrots" – wie sich die Stadtbewohner nennen – etwas gegen Englisch hätten: Im 19. Jahrhundert hatten Briten aus dem früheren Fischer- und Korsarennest ein mondänes Seebad gemacht. Kaiserin Eugénie, die Gattin Napoleons III., ließ den Hotelpalast bauen, in dem an diesem Wochenende die sieben Weltgranden zusammentreffen. Der britische König Edward VII verlebte dort seine Sommerzeit; zu den Gästen gehörten später auch Charlie Chaplin, Frank Sinatra oder Gary Cooper.

Biarritz ist eine kosmopolitische Stadt, sie hat etwas Britisches, auch etwas Pariserisches, gar Spanisches. Sie ist mondän, nonchalant und stolz auf ihre Postkartenkulisse, aber zugleich baskisch schlicht und ungezwungen. Das Flair einer Bäderstadt mit Kasino und Luxushotels prägt sie ebenso wie die Brandung der wellenreichen Küste. Und für Surfer wie auch Rentner gilt: In Biarritz ist man braungebrannt.

Strandflair versus Security

Es versteht sich, ein solches Lebensgefühl passt schlecht zu einem militärisch abgeschotteten Gipfeltreffen, dessen tieferer Sinn vielen entgeht. Am städtischen Schalter, wo Passierscheine für die "rote" und "blaue" Sicherheitszone ausgegeben werden, klagt ein stämmiger Kerl in der Warteschlange lauthals, nicht einmal Rugby könne man noch spielen: Die Armeehubschrauber haben den Stadionrasen des Vereins Biarritz Olympique konfisziert. Eine Dame fügt an: "Und wissen Sie, wie viele Waffen während des Gipfels präsent sind? 20.000! Das hab ich in der Zeitung gelesen."

Im Surfshop Takamaka klagt der Verkäufer ebenfalls: "Der G7-Gipfel vertreibt die Touristen. August ist der wichtigste Monat für unser Geschäft. Jetzt büßen wir ein Drittel Umsatz ein." Doch wird die Stadt nicht langfristig vom Renommee einer G7-Stadt profitieren? Die Managerin der Immobilienagentur Côte d'Argent meint: "Wir haben keine Gratiswerbung nötig, unsere Hotels sind auch so ausgebucht." Und die Quadratmeterpreise seien in Biarritz hoch genug. "Von mir aus", fügt sie an, "könnten Trump, Macron und alle anderen zu Hause bleiben."

Stichwort Trump. In der Regionalzeitung Sudouest werden die G7-Teilnehmer als Spieler des baskischen Nationalsportes Pelota skizziert, in der Hand den traditionellen Spitzkorb, dessen Führung viel Geschick erfordert. Donald Trump hingegen rückt in der Karikatur mit einem dicken Baseballschläger an.

Emmanuel Macron kommt nicht viel besser weg. Biarritz, die Stadt mit dem gemäßigten Meeresklima, wählt auch politisch temperiert. Im Präsidentschaftswahlkampf 2017 votierte sie zu fast 80 Prozent für den heutigen Staatschef; der Extremistin Marine Le Pen erteilte sie mit gerade einmal 20 Prozent eine Abfuhr.

Imageprobleme für Macron

Seither ist Macron aber in der Gunst der Biarrots gesunken. Und das nicht nur, weil er Biarritz zum G7-Austragungsort machte, nachdem er dort vor drei Jahren mit seiner Frau Brigitte Ferien verbracht hatte. Die naturnahe Stadt trägt ihm nach, dass er seine ökologischen Versprechen nicht eingehalten hat. Im Bus der Linie C spricht eine Passagierin in ihr Handy, Macron setze sich wortreich für den Tierschutz ein; bei der Corrida im benachbarten Bayonne, bei der mehrere Stiere getötet worden seien, hätten gleich zwei Macron-Minister applaudiert: "Das waren Stierkampfanhänger!"

Viel zu diskutieren gibt in Biarritz auch ein Bericht des Umweltverbandes France Nature Environnement (FNE). FNE hat rechtzeitig zum G7 eruiert, woher der braune Wellenschaum stammt, der die Strände von Biarritz nach stürmischem Wetter jeweils verunreinigt. Die Ursache sind Waschpulverrückstände, die in das Meerwasser gelangten. Wenn dagegen nichts unternommen werde, verliere das Meerwasser im Golf von Biskaya seinen Sauerstoff und werde zu einem "toten Wasser", warnt FNE. Im regenbogenbeflaggten Milwaukee Café ist die FNE-Studie ein Thema. "Schade, dass es beim G7 nicht regnen wird", meint ein Besucher auf der Terrasse. "Sonst müssten die G7-Chefs ihr Gruppenfoto am Großen Strand vor der braunen Brühe schießen."

Die Stiftung Surfrider begleitet den G7-Gipfel in Biarritz ihrerseits mit einem "Ocean Call". Es ist ein Ruf des Ozeans für nachhaltigen Tourismus, für den Schutz der Biosphäre, für den Kampf gegen Plastikmüll im Meer und gegen die Klimaerwärmung. Letztere kostet die kilometerlangen Sandstrände um Biarritz jährlich einen Meter Boden. Das Surferparadies schrumpft. Und in Biarritz zweifelt man, ob die G7-Vertreter wirklich etwas dagegen unternehmen werden. (Stefan Brändle aus Biarritz, 24.8.2019)