Heidi Goess-Horten (Mitte) entpuppte sich diese Woche als neue Großspenderin der ÖVP

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Manche geben ein paar Tausend Euro, andere gleich hunderttausende. Seit die ÖVP am Dienstag ihre Spendenliste für 2018 und 2019 unter Zugzwang veröffentlich hat (dem STANDARD wurden zuvor Unterlagen über den Digitalen Briefkasten zugespielt), hat eine Debatte über Einflussnahme von Unternehmen und Superreichen auf die Volkspartei speziell und die Politik allgemein begonnen.

Was bezwecken die Geldgeber mit ihren Spenden? Die schlechte Nachricht lautet, dass es in den meisten Fällen keine sichere Antwort gibt. Die gute: Bei genauem Hinsehen lassen sich einige Hinweise dafür finden, was die Geldgeber antreiben dürfte. Meistens kommen mehrere Motive zusammen.

Ganz gut zeigen lässt sich das am Beispiel von Heidi Goëss-Horten, der Kaufhauserbin und Kunstsammlerin. Sie hat in den vergangenen zwei Jahren 931.000 Euro an die ÖVP überwiesen, gestückelt in Tranchen, sodass eine sofortige Veröffentlichung durch den Rechnungshof entfallen konnte. Heidi Horten sei eine "Idealistin": Den Werten, an die sie glaube, wolle sie in der Politik zum Durchbruch verhelfen. Das sagt der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video. Er plauderte darüber, warum Horten und andere Unternehmer wie der Immobilieninvestor René Benko Geld geben – in diesem Fall an die FPÖ. Die Genannten dementieren Geldflüsse, und vielleicht prahlt Strache auch nur.

"Die Spender, die wir haben, sind in der Regel Idealisten. Die wollen Steuersenkungen. (...) Heidi Horten ist ein Beispiel." Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video (Horten dementiert FPÖ-Spenden)

Aber: Die ÖVP plädiert für niedrige Steuern, einen schlanken und stabilen Staat, propagiert Erfolg durch Leistung, steht ansonsten wohl wie keine andere Partei der Zweiten Republik für Kontinuität. All das dürfte der Milliardärin Horten ebenso gefallen wie Sebastian Kurz. Seit er die ÖVP führt, spendete sie deutlich mehr.

Hinzu kommt, dass die ÖVP gerade auch für niedrigere Steuern für Vermögende eintritt. Hortens Privatvermögen wird von Forbes auf 3,1 Milliarden Euro geschätzt. Eine kleine Vermögenssteuer von 0,1 Prozent würde sie schnell deutlich mehr kosten als die bisherigen Spenden an die ÖVP, selbst wenn nur ein kleiner Teil ihres Vermögens im Inland wäre. Der ÖVP Geld zu geben ist also ein gutes Investment aus ihrer Sicht. Auch die Eröffnung ihres neuen Museums in Wien steht an.

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Alles deutet darauf hin, dass die Motivlage auch beim Industriellen Klaus Ortner ähnlich sein dürfte. Seine IGO Industries war 2018 und 2019 der zweitgrößte Spender der ÖVP, Ortner gab auch schon 2017 fleißig. Er ist auch Mitglied in der Tiroler Adler Runde, einem Zusammenschluss Tiroler Großunternehmer und Industrieller. Sie forderten im Vorfeld der Nationalratswahlen 2017 von der künftigen Regierung, dass Mitarbeiter bei Auftragsspitzen zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden in der Woche arbeiten können. Das entsprechende Gesetz wurde im Sommer 2018 unter Federführung der ÖVP verabschiedet. Auch die Steuersenkung für Unternehmer, die Türkis-Blau anvisiert hatte, zählt zu den Kernforderungen der Gruppe.

Spenden und Karrieresprünge

Bei Ortner fällt zudem auf: Im Februar 2019 wurde seine Tochter in den Aufsichtsrat der Staatsholding Öbag berufen. Die Öbag verwaltet die Beteiligungen des Bundes, wie etwa Casinos oder Post. Er ist nicht der einzige Spender, in dessen Umfeld es zu Karrieresprüngen gekommen ist. Zu den ÖVP-Großspendern zählt auch Peter Mitterbauer, Unternehmer und Ex-Präsident der Industriellenvereinigung. Seine Tochter, einst Vorsitzende der Jungen Industrie, kandidierte 2017 für die ÖVP und sitzt seitdem im Nationalrat. Die Touristikerin Teresa Pagitz spendete 15.000 Euro im Jahr 2017. 2018 wurde sie ÖBB-Aufsichtsrätin.

Zumindest die Grünen sehen noch ein weiteres Motiv: Genehmigungen. Zwei Firmen aus dem Vorarlberger Fruchtsaftimperium Rauch haben für die Volkspartei gespendet – die Esola Beteiligungsverwaltungs GmbH und die RSG Beteiligung GmbH -, und zwar 2017, 2018, 2019. Die Grünen sehen darin eine Verbindung mit einer geplanten Betriebserweiterung in Ludesch: Rauch will in der kleinen Gemeinde seine Produktionskapazitäten in geschütztem Grünland ausbauen. Der zuständige ÖVP-Landesrat Karlheinz Rüdisser signalisierte bereits Unterstützung – doch noch hat die Landesregierung nicht zugestimmt.

Auch die Gemeindepolitiker in Ludesch sind für das Projekt. Hinter dem Projekt steht also nicht nur die ÖVP. In Ludesch ist im Herbst eine Abstimmung geplant, deren Ergebnis bindend sein wird. Wer sich fragt, warum nicht gleich Unternehmer selbst Geld an die ÖVP geben: Die Antwort dürfte im Steuerrecht liegen. Der Unternehmensgewinn wird mit 25 Prozent Körperschaftsteuer belegt. Wird Profit ausgeschüttet, kommt noch einmal Kapitalertragsteuer von 27,5 Prozent darauf. Wer sein Unternehmen spenden lässt, spart sich Letztere.

Heikel sind die Spenden bei Aktiengesellschaften – hier verfügt ja der Vorstand über fremdes Geld, das der Aktionäre. Auf der ÖVP-Spenderliste finden sich einige AGs oder ihre Tochtergesellschaften. Gespendet hat etwa die Premiqamed Holding. Die GmbH überwies 2017 und 2018 je 25.000 Euro an die ÖVP. Das Unternehmen, zu dem unter anderem die Privatklinik Döbling in Wien gehört, befindet sich in hundertprozentigem Eigentum der Uniqa. Die Uniqa ist ein börsennotierter Konzern, dominiert von Raiffeisen. Auch die Raiffeisenzentralbank AG findet sich mit einer Spende von 50.000 Euro im Wahljahr 2006 auf der Liste.

"Uns ist wichtig festzuhalten, dass diese Spenden keinen parteipolitischen Hintergrund haben. (...) Sie sind Unterstützung für die Ideen von Sebastian Kurz." Statement der Firma Rauch

Die Oberbank AG zahlte damals 50.000 Euro und ist ebenfalls börsennotiert. Sie gibt an, eine Veranstaltung in Linz mit dem damaligen "parteifreien" Finanzminister Karl-Heinz Grasser gesponsert zu haben. Die Porschebank AG soll laut Liste 250.000 Euro im Jahr 2006 gespendet haben – dort dementiert man das allerdings.

Aktiengesellschaften befinden sich in einer Zwickmühle: Der Vorstand darf nur dann Spenden gewähren, wenn sich ein konkreter Vorteil für das Unternehmen ergibt. Ist das nicht der Fall, kann er rasch dem strafrechtlichen Vorwurf der Untreue ausgesetzt sein. Zugleich macht sich aber, wer Geld gibt oder verspricht, um einen Amtsträger zu beeinflussen, der Bestechung schuldig.

Bei Aktiengesellschaften mit überschaubarer Eigentümerstruktur sind Spenden selten ein Problem, weil Eigentümer im kurzen Weg zustimmen können. "Bei unübersichtlichen Aktiengesellschaften ist die Sache heikel", sagt Strafrechtler Robert Kert von der WU-Wien. Das sei eine "Grauzone", selbst Spezialisten auf dem Gebiet seien nicht sicher, was geht und was nicht.

Der Gesellschaftsrechtler Fritz Rüffler erklärt, dass Spenden für den wohltätigen Zweck, für Sportvereine oder kulturelle Veranstaltungen erlaubt sind, weil es da um die Förderung von Dingen mit anerkanntem gesellschaftlichem Wert geht. Bei Parteispenden lasse sich so ein Argument kaum vorbringen, sagt Rüffler. Dagegen zu sagen, eine Spende an die ÖVP sei im Interesse des Unternehmens, weil die ÖVP für niedrigere Steuern eintritt, wovon man selbst profitiere, "wäre plausibel", sagt Rüffler.

Sein Kollege Martin Karollus meint, nicht jede Parteispende einer AG sei verboten: Aber sie muss gut begründet sein. Wie ein Gericht so eine Causa beurteilen würde, "darauf würde ich keine Wette abschließen". In Österreich gibt es noch keinen Präzedenzfall. Die Uniqa selbst hat die Spenden der Tochtergesellschaft publikgemacht. Auf Nachfrage, warum man gespendet habe und auf welcher Rechtsgrundlage, heißt es bei Uniqa, dass der eigene Verhaltenskodex, der "über gesetzlichen Bestimmungen in vielerlei Hinsicht hinausgeht", dies zulasse. Spenden dürfen Ansehen und Integrität der Uniqa nicht gefährden. Bei RBI heißt es, dass die RZB zweckgebunden und unter Beachtung der Gesetze gespendet hat. Da die RZB nur zweckgebundenes Projektsponsoring mit positiven Werbeeffekten durchgeführt hat, sehe man das im Unternehmensinteresse und im Einklang mit dem Aktiengesetz. Der Zuschuss sei für eine Veranstaltung einer ÖVP-Initiative erfolgt. 2013 habe man eine neue Spendenrichtlinie veröffentlicht, seither keine Spenden getätigt.

Die Oberbank sagt, Grasser habe bei der "Infoveranstaltung" 2006 Unternehmen und Kunden der Bank sein Konzept zur Stärkung des Standorts Österreich präsentiert. Der Beitrag der Bank zum Event sei im eigenen wirtschaftlichen Interesse gelegen und erfolgte unter Einhaltung aller Gesetze.

Übrigens findet sich auf der Spenderliste neben Privatpersonen und Unternehmen auch der Österreichische Burgenverein (inzwischen: Verein Historische Gebäude Österreich), der 10.000 Euro im Jahr 2018 gab. Der Verein setzt sich für den Erhalt von Burgen und historischen Gebäuden ein und ruft auf seiner Website auch zu Spenden auf. Wer die Spende genehmigt hat und warum: kein Kommentar. (András Szigetvari, 23.8.2019)